Es ist vollbracht! 18 Monate Referendariat und die zweite Staatsprüfung liegen hinter mir. Ich bin ab jetzt eine ausgebildete Lehrkraft, kaum zu glauben!
Für alle, die vom Lehramtsstudium enttäuscht sind, möchte ich verkünden: Es wird besser! Diese vergleichsweise kurze Zeit des Referendariats bietet genau den Praxisbezug, der im Studium so oft gewollt wird, aber ohne tatsächliche, regelmäßige Praxiserfahrungen gar nicht fruchtbar sein kann, selbst wenn sich Dozierende darum bemühen. Der Vorbereitungsdienst ist wie eine duale Ausbildung, in der endlich eine sinnvolle Mischung aus Theorie- und Praxiselementen praktiziert wird.
Im letzten Bericht teile ich Tipps zur zweiten Staatsprüfung (auch: “unterrichtspraktische Prüfung”) und trage alle wichtigen Erkenntnisse und Ratschläge aus allen erschienenen Episoden zusammen. Viel Spaß beim Stöbern!
Nähere Informationen zum Aufbau des Referendariats an Berliner Grundschulen befinden sich in der Übersicht.
Ablauf der unterrichtspraktischen Prüfung
Am Tag der Prüfung solltest du spätestens eine Stunde vor Beginn der ersten Prüfungsstunde in der Schule sein, um in Ruhe ankommen zu können. Dann hast du etwa eine halbe Stunde Zeit, um letzte Vorbereitungen in den Klassenräumen zu treffen (Stühle für die Prüfungskommission bereitstellen, Tische schieben, Tafelbild oder Technik vorbereiten etc.). Falls du deine ausgedruckten und unterschriebenen Prüfungsentwürfe noch nicht bei der Schulleitung abgegeben hast, solltest du das spätestens jetzt tun.
Die erste Prüfungsstunde findet meistens in der zweiten Schulstunde statt, um Verzögerungen durch später eintrudelnde Kinder zu vermeiden.
30 Minuten vor Prüfungsbeginn musst du dich bei der Prüfungskommission melden, die sich bereits im dafür reservierten Raum eingefunden hat. Hier ist Zeit für eine freundliche Begrüßung und die Gesundheitsfragen, die der Prüfungsvorsitz stellt (“Fühlen Sie sich heute gesund und dazu in der Lage, die Prüfung ordnungsgemäß abzulegen?”). Nach erfolgreicher Beantwortung wird dich niemand länger aufhalten wollen, also ab ins Klassenzimmer!
Nun bleiben dir noch etwa 20 Minuten, um dich zu erden oder bei Bedarf die Kinder auf die nächste Stunde vorzubereiten (Regeln wiederholen etc.) und letzte Absprachen mit der Klassenlehrkraft zu treffen, falls notwendig. Ziemlich pünktlich zur zweiten Stunde steht die Prüfungskommission vor der Tür und es kann losgehen. Zu Beginn der Stunde ist es schön, wenn die Prüfungskommission der Lerngruppe mit Namen und Funktion vorgestellt wird (“Das ist Frau XY, sie ist sozusagen meine Mathelehrerin…”).
Während des Unterrichts solltest du die Prüfungskommission komplett ausblenden, sofern es dir möglich ist. Im Grunde hältst du einfach eine Unterrichtsstunde, so wie jeden Tag. Du solltest für diese Prüfung nicht mehr wollen, als du im Alltag von deiner Lerngruppe und dir als Lehrperson erwartest. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan. Der aufmerksame und liebevolle Umgang mit den Lernenden ist oft schon die halbe Miete – sowohl für den Alltag als Lehrkraft als auch für die Prüfungsstunde.
Sobald die erste Prüfungsstunde vorüber ist, verabschiedet sich die Prüfungskommission für gewöhnlich schnell und wortlos. Das ist kein schlechtes Omen, sondern kann als respektvolle Distanz interpretiert werden, denn die Zeit nach der Unterrichtsstunde soll nur dir und deinen Gedanken gehören. Packe also schnell deine Sachen, nimm ausgewählte Lernprodukte der Kinder mit und begib dich in deinen vorher organisierten Ruheraum.
Im Ruheraum kannst du nun alle Gedanken zur gehaltenen Stunde notieren oder mit dem Handy aufnehmen. Iss etwas aus deiner Futterbox und gönn dir eine Minute Stille. Aber achte auf die Zeit, stelle dir vielleicht einen Wecker. Die zweite Prüfungsstunde findet meist in der Stunde nach der ersten Hofpause statt. Nimm dir etwas Zeit, um den neuen Klassenraum für die zweite Prüfungsstunde vorzubereiten und letzte Checks durchzuführen.
Dann beginnt das Spektakel noch mal von vorne. Auch hier verschwindet die Kommission blitzschnell aus dem Raum, mit dem Unterschied, dass der Prüfungsvorsitz eine feste Zeit mit dir vereinbart, wann sich alle zum abschließenden Analysegespräch treffen. Meist sind es etwa 30 bis 45 Minuten ab dem Ende der zweiten Prüfungsstunde.
Das Analysegespräch nach der Staatsprüfung
Nun ist es Zeit, alle Erkenntnisse aus beiden Stunden für das Analysegespräch geordnet aufzuschreiben. Gehe dafür wieder in den Ruheraum. Für mich hat sich eine Vorlage als sehr hilfreich erwiesen, um das Reflexionsgespräch strukturiert zu führen. Diese Vorlage zum Analysegespräch kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Mit diesen Notizen geht es wieder zur Kommission. Das Analysegespräch wird immer vom Prüfling eingeleitet. Nutze dafür deine Notizen, damit du nicht durcheinander kommst. Die Kommission wahrt währenddessen ein Pokerface. Das ist gruselig, weil das “Gespräch” dadurch nur noch wenig mit menschlicher Interaktion zu tun hat, aber davon solltest du dich nicht verunsichern lassen, das ist normal.
Nach jeder reflektierten Prüfungsstunde dürfen nun die Fachseminarleitungen, die Schulleitung oder der Prüfungsvorsitz Nachfragen zum Unterricht oder zum gehaltenen Analysevortrag stellen.
Ein kleiner Tipp: Je mehr (sinnvolle) didaktische Begründungen der Unterrichtsentwurf bereits enthält, desto weniger Fragen werden für gewöhnlich gestellt. Und falls doch, hat man meist schon eine gute Argumentation dafür niedergeschrieben und kann auf sie zurückgreifen.
Wurden alle Fragen der Kommission beantwortet, darfst du den Raum verlassen und nun endlich allen Druck, alle Sorgen und alle Ängste von dir schütteln. Du hast es geschafft! Das Schlimmste ist vorbei und am weiteren Verlauf kannst du ohnehin nichts mehr ändern. Jetzt muss die Kommission arbeiten und alle Notizen diskutieren und in eine Note umwandeln. In dieser Zeit ist es das Beste, an die frische Luft zu gehen, tief durchzuatmen und sich mit einer Kleinigkeit zu belohnen (einem Kaffee, etwas zu Essen oder einem Anruf – was auch immer dir guttut).
Nach einer vorher vereinbarten Zeit, musst du dich ein letztes Mal der Kommission stellen. Es gibt einen für meinen Geschmack etwas albernen Brauch, der jedem Prüfling direkt nach dem Öffnen der Tür verrät, ob die Prüfung bestanden wurde oder nicht. Wenn die gesamte Prüfungskommission steht, darfst du dich freuen – du hast bestanden! Sollte die Prüfungskommission sitzen, ist das kein gutes Zeichen.
Aber so oder so: Der Prüfungstag ist vorbei. Gönne dir eine Auszeit. Falls du bestanden hast, kannst du dich jetzt auf deutlich entspanntere und autonomere Unterrichtstage mit deinen Lerngruppen freuen. Falls du nicht bestanden hast, kannst du die Prüfung je nach Bestimmungen deines Bundeslandes wiederholen oder dich nach Alternativen umschauen, falls du gemerkt hast, dass der Job als Lehrkraft an einer staatlichen Schule nichts für dich ist.
Tipps für die Staatsprüfung
- Organisiere dir rechtzeitig einen Ruheraum für den Prüfungstag, der nur für dich reserviert ist. Dorthin kannst du dich nach beiden Unterrichtsstunden zurückziehen und alle Gedanken für das Analysegespräch niederschreiben.
- Schneller als das Niederschreiben ist es, eine Tonaufnahmen von den eigenen Gedanken zur gerade durchgeführten Unterrichtsstunde zu machen und sie erst nach der zweiten Prüfungsstunde abzuhören und wichtige Erkenntnisse daraus für das Analysegespräch aufzuschreiben.
- Weiterhin solltest du mit der Schulleitung absprechen, welchen Raum du für die Prüfungskommission reservieren kannst.
- Bereite dir ein Futterpaket vor, das dich einerseits mit gesunder Energie versorgt (Nüsse, Obst, Smoothie, Müsli) und andererseits Genussbedürfnisse stillt (Schokoriegel, Gummibärchen). Dir soll es schließlich rundum gut gehen.
- Nutze eine Vorlage für das Analysegespräch, welche die Struktur des Gesprächs vorgibt und nach deinen Prüfungsstunden mit deinen Gedanken befüllt werden kann.
- Nimm ausgewählte Lernprodukte der Kinder aus den Prüfungsstunden mit ins Analysegespräch (z.B. Arbeitsblätter, Plakate, Hefter). Am besten suchst du die Lernprodukte der Kinder heraus, deren Kompetenzentwicklung du im Entwurf genauer beschrieben hast. Daran können im Gespräch Problemstellen antizipiert oder Lernerfolge nachgewiesen werden.
Erkenntnisse auf dem Weg zur Professionalität
In der Hoffnung, dass meine kleinen Erkenntnisschritte womöglich irgendjemanden davor bewahren, am Ende des Referendariats sagen zu müssen “Das hätte ich gerne vorher gewusst”, gibt es nun hier eine Übersicht über alle Erkenntnisse, die sich seit Episode 1 angesammelt haben. Ich möchte betonen, dass die Ausbildungszeit weitaus mehr Erkenntnisse für mich bereithielt und in diesem Format lediglich ein kleiner Teil davon berücksichtigt werden konnte.
Ich muss mich damit abfinden, zunächst von anderen abhängig zu sein.
Jetzt sammle ich die Eventualitäten, auf die ich später professionell reagieren muss.
Außerschulische Aktivitäten allein stärken keine Beziehung.
Im ersten Bericht hatte ich bereits erwähnt, dass ich hinsichtlich der Beziehungsentwicklung zwischen mir und meinen Lerngruppen Bedenken habe, da ich meine Lerngruppen jeweils nur einmal in der Woche zu Gesicht bekomme und es mir so beinahe unmöglich scheint, eine wirklich starke Bindung aufzubauen. Außerschulische Aktivitäten wie Exkursionen und Klassenfahrten wirken sich für gewöhnlich immer positiv auf das Verhältnis zwischen Lehrkraft und Lerngruppe aus, da sich die gesamte Gruppe in anderen Kontexten, Intensitäten und Freiheiten kennenlernen kann. Doch all diese gemeinsamen Erfahrungen können ihre positive Wirkung nicht richtig entfalten, wenn sie – wie in meinem Wochenplan – vereinzelt bleiben und zu viel Zeit zwischen den persönlichen Treffen liegt. Es ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, der bis zur nächsten Woche fast schon wieder verdunstet ist. Das ist schade, steigert aber meine Vorfreude auf die Zeit als Klassenlehrerin einer eigenen Klasse, die ich mehrere Tage hintereinander sehen und kennenlernen kann.
Externe Expertise ist ein großer Gewinn!
Die Unterrichtsplanung für eine 1. bis 3. Klasse ...
Auch der Wahnsinn gehört zur Normalität.
Freiarbeit ist viel komplexer als ich dachte.
Arbeitshefte vermeiden Stress.
Meine “Prüfungseinheiten”, also die Unterrichtseinheiten, in welche meine Prüfungsstunden fallen, haben eine entscheidende Gemeinsamkeit: Das Lernprodukt und Arbeitsmittel ist ein (selbst erstelltes) Arbeitsheft, welches von den Kindern nur in der Schule bzw. nur in meinen Unterrichtsstunden bearbeitet und nie mit nach Hause genommen wird. Nur so schien es mir möglich, das Zettelchaos meiner letzten Unterrichtseinheiten halbwegs zu unterbinden. Und es funktioniert wunderbar! Sätze wie “Ich hab meinen Hefter vergessen”, “Ich hab das Blatt nie bekommen” oder “Ich finde meine Sachen nicht” höre ich seitdem nicht mehr. Ich habe zudem immer einen guten Überblick darüber, wie weit jedes Kind ist und wo ich nachsteuern muss. Einen netten Nebeneffekt für die Kids hat es auch: Das Arbeitsheft und somit auch die dazugehörigen Unterrichtsstunden werden als etwas Besonderes wahrgenommen. Jedes Kind hat schon nach ein paar Wochen ein Lernprodukt, das mit eigenen Gedanken und kreativen Ideen gefüllt wurde.
Alles fängt beim Greifbaren an!
Die Mühe lohnt sich (gefühlt)!
Es tut gut, gesehen zu werden.
Nutze die letzte(n) Ferienwoche(n) NUR für dich.
Nimm dich nicht zu ernst.
Ratschläge und Leitsätze für alle Lehrkraft-Neulinge
Hier findest du eine Übersicht über alle Ratschläge, Mutmachsprüche und Leitsätze, die sich seit Episode 1 angesammelt haben.
“Beim nächsten Mal mach ich es besser!”
“Plane Termine langfristig!”
“Arbeite ausschließlich mit positiver Verstärkung!”
Strafen haben keinen Effekt. Strafen sind out. Diesen Grundsatz und auch all die guten Gründe und wissenschaftlichen Beweise für diese These lernte ich im Studium. Die Umsetzbarkeit hängt nach meiner kurzen Erfahrung leider oft von der Lerngruppe und dem jeweiligen sozialen Umfeld ab und ist sehr viel komplexer, als ich es je vermutet hätte. Eine dazu passende Starthilfe, die mir meine Seminarleitung mit auf den Weg gegeben hat, möchte ich ebenfalls weitergeben: Um in neuen Lerngruppen schnell die sozial herausfordernden Kids zu identifizieren und hellhöriger für meinen Unterricht zu machen, kann ich als Lehrkraft einfach einen leichten Arbeitsauftrag geben (z.B. ein bestimmtes Material herauszuholen) und abwarten. Einige Kinder machen nichts? Dann hilft es sehr, die aktiven Kinder zu loben und wieder abzuwarten. Die letzten Kinder, die nichtstuend auf ihrem Platz sitzen bleiben, haben es in den nächsten Wochen höchstwahrscheinlich auf das Testen meiner Grenzen abgesehen. Genau diese Kinder gilt es, in der Kennenlernphase besonders häufig zu loben bzw. ihr erwünschtes Verhalten positiv zu verstärken. “Zur Not loben Sie eben den bunten Pullover, den das Kind gerade trägt. Es gibt immer etwas, über das man sich positiv äußern kann!”, empfahl meine Seminarleitung mit einem Lächeln. Meine bisherigen Erfahrungswerte mit diesem Tipp sind recht positiv, obwohl ich meine Lerngruppen nur ein bis zwei Tage pro Woche sehe!
“Du bist der Kuchen, nicht der Krümel!"
Man sollte meinen, dass sich Lehrkräfte dessen bewusst sind im Bezug auf die Autorität in ihrer Lerngruppe. Aber für mich scheint das im Umgang mit sehr herausfordernden Schülerinnen und Schülern noch eine wackelige Basis darzustellen. In einer meiner Bezugsklassen bringt mich ein Schüler regelmäßig an meine Grenzen mit seinem respektlosen Verhalten mir und anderen Kindern gegenüber. Kontinuierliches Stören anderer Kinder und des Unterrichts, strikte Arbeitsverweigerung und provokante Diskussionen stehen auf der Tagesordnung. Ich würde mich selbst als geduldigen Menschen bezeichnen, aber dieser Schüler springt wie ein übermütiger Seiltanzakrobat auf meinem Geduldsfaden herum und lässt ihn mit Vergnügen nach oben schnalzen. Irgendwann machte es “PENG!” und er war gerissen. Ich wusste, was zunächst zu tun war: tief ein- und ausatmen und innerlich langsam bis drei zählen. So. Der nächste Schritt bestand darin, die Lehrkraft der Nachbarklasse zu bitten, den Schüler für den Rest der Stunde bei sich aufzunehmen. Sie wusste sofort, um wen es geht, nickte beruhigend und sagte, sie habe schon den richtigen Platz und eine Aufgabe für ihn. Sehr gut. Also wieder zurück ins Klassenzimmer. “Pack bitte deine Sachen zusammen und gehe in die Nachbarklasse, du wirst dort erwartet”, sagte ich mit ernstem Blick und Ton. “Nö”, war seine pointierte Antwort. Gut, das hätte ich erwarten können. Dann versuchte ich es mit Elternpädagogik: “Ich sage es jetzt ein letztes Mal …” Und natürlich wiederholte daraufhin auch er seine Antwort – “Nö”. Es waren nicht die Worte, es war der Blick, mit dem er es sagte, der mich zwischen Machtlosigkeit und Zorn schwanken ließ. Glücklicherweise war die Klassenlehrerin an dem Tag zu früh erschienen und in einem Nebenzimmer ansprechbar. Ich holte sie und musste nicht viel sagen. Ihre Ansage war nach einigen lauten Diskussionsversuchen seinerseits schließlich wirksam und es war wieder Ruhe eingekehrt. In der großen Pause gab es ein Krisengespräch zwischen uns und der Klassenlehrerin. Sie übernahm dankenswerterweise das Reden – vielleicht, weil sie gesehen hat, wie aufgewühlt ich war. In diesem Gespräch verdeutlichte sie dem Schüler (nicht das erste Mal) die sozialen Hierarchien in der Klassengemeinschaft bzw. das Verhältnis zwischen “Kuchen” und “Krümel”. Das klang zuerst recht hart für mich, weil sowohl die Klassenlehrerin als auch ich uns für ein Verhältnis auf “Augenhöhe” einsetzen. Allerdings ist es eine notwendige Rahmenbedingung für jede zweckbedingte Gemeinschaft, dass die Rechte und Pflichten von Gruppenleitenden stellenweise über die der Gruppenteilnehmenden hinausgehen (Stichwort: Autorität).
"Visualisiere den Stundenverlauf."
Dass es sinnvoll ist, den Ablauf der Unterrichtsstunde an der Tafel (oder am SMART-Board) zu visualisieren, um der Lerngruppe eine gewisse Orientierung zu geben, war mir bereits bewusst. Aber so richtig damit gearbeitet habe ich trotzdem nie. Das hat sich nun geändert. Für die Freiarbeit habe ich Symbolkarten gezeichnet, die ich immer zu Beginn einer Freiarbeitsstunde gemeinsam mit den Kindern durchgehe. Tatsächlich sind diese Stunden dadurch nicht nur besser strukturiert (auch für mich), sondern sorgen auch dafür, dass die Kids die Lernzeit besser nutzen und sich zügiger selbst organisieren. Ein großer Zugewinn!
"Habe IMMER Alternativen parat."
Schon bei der Unterrichtsplanung sollte man den Supergau für das eigene Vorhaben durchdenken und konkrete alternative Handlungsweisen definieren (und ggf. Material dafür vorbereiten, falls notwendig), um flexibel auf Änderungen reagieren zu können.
"Reduziere dein Material auf den konkreten Standard der Stunde."
Das Lernmaterial sollte exakt die Kompetenz trainieren, die im Unterrichtsentwurf zur Stunde definiert wurde. Um nicht zu überfordern, sollte der Stundenkern deswegen besonders bei jüngeren Lerngruppen an einfachen Beispielen erprobt werden, bevor die Lernenden mit Arbeitsblättern voller Übungen zum Thema konfrontiert werden.
"Versuche, in eigenen Bereichen zu arbeiten."
Im normalen Vorbereitungsdienst hat man relativ wenige Präsenzstunden und übernimmt nur Teilbereiche des normalen Stundenplans. Das heißt, man arbeitet mit einer oder mehreren anderen Lehrkräften zusammen und muss sich für die einzelnen Fächer inhaltlich abstimmen. Das kann zu einer Last werden, wenn man darauf angewiesen ist, regelmäßig bestimmte Informationen vom Gegenüber zu erhalten. Die Planung von Unterricht kann dadurch erschwert werden. Besser ist es, wenn beide Parteien vorher abgestimmt haben, für welchen Bereich sie verantwortlich sind. Beispiel: In meiner Mathe-Lerngruppe erteile ich wöchentlich nur zwei Mathestunden, welche zur Zeit für den Themenbereich Geometrie genutzt werden. Der Rest wird von der Klassenlehrkraft erteilt, wobei hier andere Inhalte aus anderen Themenbereichen bearbeitet werden. So bin ich in meinen Planungen nicht auf regelmäßige Neuigkeiten seitens der Klassenlehrkraft angewiesen und kann freier und spontaner agieren. Natürlich muss man dazu das Glück haben, kooperative Kolleginnen und Kollegen an seiner Seite zu haben, die einem diesen Freiraum auch gewähren. Ich habe dieses Glück zufällig.
"Verschaffe dir Zugang zu Bibliotheken."
Nicht nur, um Fachliteratur zu recherchieren, ist es sinnvoll, sich Bibliotheksausweise (z.B. als Gast in den Universitätsbibliotheken) zu besorgen. Für Unterrichtsentwürfe und die eigene Weiterbildung müssen ab und zu wissenschaftliche Quellen herangezogen werden, die sich in öffentlichen Bibliotheken oder Online-Katalogen finden lassen. Für angehende Lehrkräfte in Berlin lohnt sich der Zugang zu Online-Medienforen, um durch Fachliteratur, Unterrichtsentwürfe, Unterrichtsmaterial, Lehrwerke oder digitales Lernmaterial zu stöbern.
Lass dich von Expertinnen und Experten inspirieren!
NO GO Nr. 1 - Lehrer-Echo
Das Wiederholen von Antworten der Lernenden ist eine Sache, die sich sehr schnell einschleicht und manchmal gar nicht so leicht zu verlernen ist. Situationsadäquate Zurückhaltung lautet das Stichwort der Stunde. Keine Wiederholungen, keine Monologe und auch Vorlesen lassen des Arbeitsauftrags! Das “Lehrer-Echo” ist eine Art Reflex mit guter Intention (z.B. um korrekte Antworten hervorzuheben oder lauter zu wiederholen, damit alle es verstehen können), allerdings ist die Wirkung eines solchen Echos weit weniger positiv. Denn regelmäßig angewendet, kann es zum einen diejenigen bestätigen, die gerade nicht aufgepasst haben, da die Antworten ohnehin laut wiederholt werden. Und zum anderen können interessierte und aufmerksame Lernende dadurch das Gefühl entwickeln, dass ihre eigenen Antworten nicht richtig wertgeschätzt werden und erst durch die Wiederholung der Lehrkraft an Relevanz gewinnen. Das stellt die Lehrperson über die Lernenden, was einem Agieren auf Augenhöhe unsanft entgegenwirkt und zudem schnell für Demotivation bei der Lerngruppe sorgen kann. Es entbindet die Lernenden weiterhin ungewollt von ihrer Pflicht, den anderen zuzuhören, weil die Lehrkraft ohnehin alles wiederholt und zudem kann sich schnell das Gefühl einstellen, dass eine Antwort erst Relevanz besitzt, sobald sie von eine Lehrkraft ausgesprochen wurde. Keine gute Message.
NO GO Nr. 2 - Monologe
Niemand braucht Monologe im Unterricht, schon gar nicht von der Lehrkraft. Es geschieht schneller als man denkt, dass man als Lehrkraft einen Großteil der Sprechzeit der Stunde einnimmt. Der Sprechanteil muss also auf die Lernenden umgelenkt werden und das klingt einfacher, als es ist. Es hilft enorm, sich Routinen zu schaffen, in welchen die Kinder tagesstrukturierende Aufgaben übernehmen (Moderation des Tagesablaufs, von Konfliktgesprächen etc.). Außerdem empfiehlt es sich, für alle wiederkehrenden Abläufe (z.B. bestimmte Arbeitsmethoden) Symbole zu etablieren, sodass für die Erklärung der Vorgehensweise irgendwann keine Worte mehr verloren werden müssen.
NO GO Nr. 3 - Alles selber machen
NO GO Nr. 4 - Methoden-Monotonie
NO GO Nr. 5 - W-Fragen
NO GO Nr. 6 - Fehler rot markieren
Bei der Korrektur von Texten haben wir ganz schnell den Rotstift zur Hand. Das ist allerdings nicht besonders förderlich im Sinne einer positiven Fehlerkultur. Der eigentliche Fokus sollte nicht darauf liegen, was das Kind nicht kann, sondern darauf, was es kann. Dass dieser Ansatz bei einem Diktat, bei welchem es darum geht, Wörter richtig zu schreiben, eher nach einem Witz klingt, ist mir klar. Dennoch gibt es gute Alternativen, Fehlerstellen aufzuzeigen, ohne diese bedrohlich hervorzuheben. Zum Beispiel nutzt man einen grünen Stift und hebt besonders gelungene Bereiche mit einer kleinen Notiz oder Smileys hervor. Bei Rechtschreibfehlern schreibt man die richtige Schreibweise in grün unter die fehlerhafte Schreibung, anstelle den Fehler zu unterstreichen. Das sieht nicht nur netter aus, sondern spiegelt dem Kind den konkreten Unterschied zwischen beiden Schreibweisen wider und gibt ihm eine faire Basis, das Wort in einer anschließenden Korrektur richtig zu schreiben. Weiterhin soll das Kind dadurch motiviert werden, die Fehlerstelle anhand des Vergleichs der Schreibweisen selbstständig zu entdecken und zu korrigieren. Diese Fehleranalyse sollte besonders bei jüngeren Kindern von der Lehrkraft angeleitet werden, indem beispielsweise gemeinsam Stolperstellen in fehlerhaften Wörtern gesucht und markiert werden und Rechtschreibstrategien angewendet und vertieft werden.
NO GO Nr. 7 - Einfach nur beobachten
NO GO Nr. 8 - Arbeitsauftrag laut vorlesen lassen
Ordnung im Klassenzimmer Nr. 1 - 10-Schnipsel-Regel
Ordnung im Klassenzimmer Nr. 2 - Minuten-Wettbewerb
In den letzten Minuten des Tages wird der Klassenraum für gewöhnlich von den SuS aufgeräumt. Die Lernenden räumen ihren Platz auf, packen ihre Materialien zurück ins Regal, in den Stehordner oder in ihren Rucksack, stellen die Stühle hoch, fegen den Boden etc.. Das Prozedere kann ganz schnell ungeahnte Ausmaße annehmen, da die Lernenden kaum Motivation erhalten, sich zu beeilen und stattdessen lieber Quatsch machen. Um weniger Unterrichtszeit mit Aufräumen zu verschwenden, kann die Lehrkraft den Minuten-Wettbewerb ins Leben rufen. Dafür kündigt sie die Aufräumphase für alle hörbar an und lässt die Stoppuhr laufen. Ziel der Kinder ist es, so schnell und so sorgfältig wie möglich aufzuräumen und ihre Zeit bei jedem Mal neu zu unterbieten. Meine kleinere Lerngruppe hat es dadurch von etwa 7 Minuten auf 2 Minuten für den gesamten Aufräumprozess geschafft und war immer höchst motiviert und konzentriert mit Aufräumen beschäftigt. Natürlich können sich die Kids nicht immer unterbieten, weil gerade das Freiarbeitsmaterial oft viel Zeit braucht, um wieder ordentlich eingeräumt und verstaut zu werden. Dennoch bleibt der Reiz des Wettbewerbs über längere Zeit bestehen und irgendwann braucht man den Timer vielleicht gar nicht mehr. Geholfen haben zudem eine Checkliste an der Tafel (Was muss alles gemacht werden, bevor die Klasse den Raum verlassen darf?) sowie ein strenges Auge der Lehrkraft, wenn manche Dinge von der Checkliste zwar schnell, aber nicht ordentlich erledigt wurden (diese Dinge mussten dann nachgebessert werden, bevor alle den Raum verlassen durften).
Ordnung im Klassenzimmer Nr. 3 - Dienste verteilen
Ruhe im Klassenzimmer Nr. 1 - “Hände hoch!”
Beim ersten Tonsignal (z.B. ein Gong) soll die Lerngruppe insgesamt leiser werden. Jedes Kind soll merken, dass das Ruhesignal angeklungen ist und entsprechend seine Gespräche einstellen oder sich an den Flüsterton erinnern. Falls das nicht funktioniert, ertönt das Signal ein zweites Mal. Nun muss jedes Kind alles loslassen, was es in den Händen hält und sie weit nach oben strecken. Alle Münder müssen dann geschlossen und alle Augenpaare auf die Lehrkraft gerichtet sein. Die Position wird so lange gehalten, bis ausnahmslos alle Kinder mitmachen und völlige Stille im Raum herrscht. Je nach Zweck dieser Übung kann die Lehrkraft nun entweder eine wichtige Ansage machen oder die Lerngruppe zum Einhalten der Arbeitslautstärke auffordern. Besser ist es, wenn die Lerngruppe zur Eigenverantwortlichkeit angehalten werden. In dem Fall kann die Lehrkraft fragen, warum das Ruhesignal ertönt ist und die Lernenden können eigenständig erklären, welche Regeln sie missachtet haben und was sie tun können, damit das nicht mehr passiert. Denn je öfter die gesamte Klasse die Hände nach oben streckt, sich umdreht und abwarten muss, desto genervter ist die Lerngruppe davon. Das ist für gewöhnlich ein guter Katalysator für Verhaltensänderungen, auch wenn es in der anfänglichen Unterrichtspraxis unfassbar anstrengend ist.
Ruhe im Klassenzimmer Nr. 2 - Dezibel-Messgeräte
Es gibt sie in Form von Lärm-Ampeln oder Apps mit einem Lautstärkesensor und sie sind ein weiteres Mittel, um Kinder an eine angemessene Arbeitslautstärke zu gewöhnen. Apps wie „Classroomscreen“ oder „Bouncy Balls“ bieten ein solches Tool, das die Umgebungslautstärke im Klassenzimmer misst und beim überschreiten einer (individuell einstellbaren) Dezibelgrenze ein bestimmtes Signal ertönen lässt, auf das die Lerngruppe reagiert. Allerdings bieten solche Funktionen natürlich gefundenes Fressen für viele Kinder, denn es ist einfach zu attraktiv, die Grenzen dieser Tools mit absichtlichen Geräuschen auszuloten und damit zu spielen. Logisch, so ging es mir ja auch bei der ersten Nutzung. Also was tun? Es erscheint fair, der Lerngruppe eine kurze, vorher vereinbarte Zeit zum freien Explorieren mit dem Tool zu geben, ohne Regeln und Konsequenzen. Nach dieser Phase müssen allerdings Regeln vereinbart werden. Was passiert, wenn einzelne Kinder die Ruhe absichtlich stören? Was passiert, wenn die ganze Klasse mehrmals die Dezibelgrenze überschreitet? Ab wann gibt es welche Konsequenz?
Ruhe im Klassenzimmer Nr. 3 - Die Katze im Klassenraum
Diese Methode nenne ich so, weil ich sie genauso bei einer Hospitation an einer anderen Berliner Grundschule gesehen habe. Während der Freiarbeitsstunde stellte die Lehrkraft einen Korb mit einer lebensgroßen Plüschkatze in die Mitte des Raums. Sie legte einen kleinen Schalter an der unteren Seite des Stofftiers um und die Katze gab ein leises “Miau” von sich. Das Geräusch der Katze ertönt in alle paar Minuten und ist nur hörbar, wenn es im Raum ruhig ist und fungiert als regelmäßige Erinnerung an die Arbeitslautstärke. Jetzt hat natürlich nicht jeder eine mauzende Stoffkatze parat, also müssen Alternativen her. Zum Beispiel könnte die Lehrkraft in unregelmäßigen Abständen ein bestimmtes Geräusch vom eigenen Handy abspielen. So lässt sich die Lautstärke exakt einstellen und sogar bestimmen, was als Signal ertönt. Ich habe es selbst noch nicht ausprobiert, aber wenn, dann würde ich so machen: Ich nehme kurze Ansagen mit dem Voicerecorder auf meinem Handy auf und spiele sie während einer lauter werdenden Arbeitsphase ab. Dann ertönen zum Beispiel Sätze wie “Stehe auf und greife dir an die Nase” oder “Telefoniere mit deinem Fuß”. Nur die Kinder, die die leise Nachricht gehört haben, können die Aufforderung auch umsetzen. So wird sofort sichtbar, in welchen Ecken des Raumes es zu unruhig ist und die Kinder, die das Signal nicht gehört haben, werden auf eine spielerische Art und Weise darauf aufmerksam gemacht. Das könnte die Motivation steigern, das Signal beim nächsten Mal auch direkt beim ersten Mal zu hören und folglich leiser zu arbeiten.
Autorin: Carla
Für etwa drei Jahre schrieb ich Artikel für das phase6 Magazin und das Lehrkräfte Magazin. Mit besonderer Vorliebe widmete ich mich dabei spannenden Themen der pädagogischen Psychologie in Theorie und Praxis. Während meines Referendariats an einer Berliner Grundschule schrieb ich Erfahrungsberichte und gab einen Einblick in meinen Schul- und Ausbildungsalltag. Mittlerweile befinde ich mich in der turbulenten Berufseinstiegsphase und darf eine jahrgangsgemischte Lerngruppe an einer montessori-orientierten Grundschule in Berlin unterrichten.