Spätestens im Master haben sich die meisten Lehramtsstudierenden daran gewöhnt, dass an Universitäten lediglich die Theorie gelehrt wird. Nur durch vereinzelte Praktika im Laufe des Studiums erhalten Studierende ab und zu die Chance, Praxisluft zu schnuppern. Besonders in Studiengängen, die auf die zukünftige Arbeit mit Menschen ausgerichtet sind, wie auch Erziehungswissenschaften oder Psychologie, werden die Forderungen nach mehr Praxis innerhalb der Ausbildung immer lauter. 

Studierende im Hörsaal

Als Antwort auf diese Forderungen erweitern immer mehr Studiengänge, darunter auch solche mit den Schwerpunkten Medien oder Wirtschaft, ihre Studienordnung durch praktische Elemente. Das sogenannte Praxissemester soll die ersehnte Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen, um Studierende zukünftig effektiver auf den Berufseinstieg vorzubereiten. 

Für Studierende, die nach ihrem Studium an einer Schule arbeiten möchten, ist das Praxissemester eine Vorbereitung auf das Referendariat – sozusagen der Vorbereitungsdienst für den Vorbereitungsdienst. Klingt komisch, ist aber tatsächlich ganz sinnvoll, wie ich feststellen durfte. 

Wie ein schulisches Praxissemester abläuft, was Studierende beachten sollten und warum zu viel Strukturiertheit auch nicht gut ist, werde ich in diesem Beitrag berichten. 

Was ist das Praxissemester?

Seit ein paar Jahren gehört das Praxissemester zum Hauptbestandteil des Masterstudiums verschiedener Studiengänge. Auch Lehramtsstudierende dürfen nun ein ganzes Semester lang Unterricht begleiten, selbst durchführen und schon vor dem Referendariat erfahren, wie der Schulalltag tatsächlich aussieht. Welche Vorteile das mit sich bringt, wird im Leitfaden zum Praxissemester von der Freien Universität Berlin so formuliert:

“Das Praxissemester erlaubt Studierenden Institutionen, Strukturen und Abläufe ihrer künftigen beruflichen Praxis bereits im Studium über einen längeren Zeitraum hinweg kennenzulernen und zentrale Handlungskompetenzen aufzubauen und zu reflektieren.”[1]

Gruppe von StudierendenIm lehramtsbezogenen Praxissemester arbeiten Studierende nicht nur in der Schule, sondern besuchen weiterhin Kurse an der Universität. Das hört sich zunächst nach einer perfekten Kombination von Theorie und Praxis an, allerdings auch nach einer großen Zeitinvestition. Die universitären Begleitseminare nehmen zusätzliche Zeit in Anspruch und sollen neben Reflexionsmöglichkeiten auch neuen fachlichen Input bieten. Die eigene Vor- und Nachbereitung von Lehr- und Lernstoff füllen den restlichen Wochenplan.

Um erste Organisationsfragen zu klären, gibt es hier die wichtigsten Informationen zum Praxissemester an Schulen. Die Anforderungen können je nach Bundesland, Universität und Studiengang abweichen. Es empfiehlt sich also immer, die Informationen möglichst direkt von den zuständigen Dozierenden zu beziehen.

 

Aufgaben im Praxissemester

Zeitlicher Rahmen

  • Dauer: etwa 5 Monate, ggf. abweichend von Vorlesungszeiten 
  • Start: meist in der 2.Woche nach den Sommerferien und endet mit dem Schulhalbjahr Ende Januar 
  • Wochenstunden: Unter der Woche müssen mindestens 12 Wochenstunden an der Schule verbracht werden, verteilt auf 3 Wochentage (in Absprache mit der Schulleitung/ Lehrkraft)

Aufgaben an der Praktikumsschule (Erläuterungen siehe unten)

  • kriteriengeleitete Hospitation
  • komplexitätsreduzierte Aufgaben
  • Vorbereitung, Durchführung und Reflexion von Unterrichtsstunden
  • Durchführung des Lernforschungsprojekts
  • außerunterrichtliche Aufgaben
  • Reflexionsgespräche mit Mentorin oder Mentor

Aufgaben an der Universität 

  • Begleitseminare zu den jeweiligen Studienfächern
  • Seminar(e) zum Lernforschungsprojekt 

Aufgaben zu Hause

  • Konzipieren von Unterrichtsstunden und -konzepten
  • Vorbereiten von Lehr- und Lernmaterial
  • ggf. Vor- und Nachbereitung der Unikurse (z.B. Lernforschungsprojekt)
  • ggf. Anfertigen der prozessbegleitenden Abschlussarbeit für die Universität

Zu den Aufgaben an der Praktikumsschule

Aufgabe: Unterricht vorbereiten

Hospitation

Die Hospitationsstunden zählen zu den entspanntesten und teilweise spannendsten Tätigkeiten während des Praxissemesters. Hierbei sollen Studierende nicht bloß zuschauen, wie andere Lehrkräfte unterrichten, sondern systematische und kriteriengeleitete Beobachtungen durchführen und analysieren. Was genau beobachtet werden soll und inwiefern die Erkenntnisse dokumentiert werden, wird oft in den Begleitseminaren an der Uni festgelegt. 

Zudem sollen auch eigene Beobachtungsschwerpunkte gefunden und verfolgt werden. So können sich Studierende beispielsweise entscheiden, ob sie gezielt Unterrichtseinstiege beobachten, Sozialformen im Unterricht analysieren oder den Einsatz von Medien in einem bestimmten Fach untersuchen möchten. Der persönlich gewählte Schwerpunkt kann anschließend als Grundlage für die Modulabschlussprüfung dienen. 

Komplexitätsreduzierte Aufgaben

Wie der Name schon verrät, geht es hier um einfachere Aufgaben, die im schulischen Alltag anfallen. Diese Aufgaben verlangen keine besondere Expertise von den Studierenden, wirken sich aber positiv auf die Selbstwirksamkeit und Selbstsicherheit der angehenden Lehrkräfte aus. Dazu gehört beispielsweise die Betreuung einzelner Schülerinnen und Schüler (z.B. Hausaufgabenhilfe, Lesestunde, …) und organisatorische Tätigkeiten wie das Drucken, Kopieren, Zuschneiden oder Laminieren von Unterrichtsmaterial. 

Eigene Unterrichtsstunden

Die größten Fragen und Sorgen hängen wahrscheinlich mit den eigenen Unterrichtsstunden zusammen. Was genau in welchem Umfang von Studierenden erwartet wird, ist abhängig von der jeweiligen Schulform bzw. vom Studiengang. Angelehnt an den Leitfaden der FU Berlin sind im Folgenden die Anforderungen für die verschiedenen Schulformen übersichtlich dargestellt:

 

Praxissemester an GrundschulenPraxissemester an ISS Gymnasium

 

Angeleitete Unterrichtsstunden sind Stunden, die – mal mehr und mal weniger – gemeinsam mit der Mentor-Lehrkraft besprochen werden. Insofern sind eigentlich alle Unterrichtsstunden von Studierenden im Praxissemester als angeleiteter Unterricht zu verbuchen. Denn auch, wenn manche Unterrichtsstunden gänzlich eigenständig geplant und durchgeführt werden, so ist eine Rücksprache mit der Mentor-Lehrkraft in jedem Fall notwendig – ob dieses Gespräch davor, dazwischen oder danach oder mehrmals stattfindet, ist dabei nicht ausschlaggebend. 

Bei sehr eng angeleiteten Unterrichtsstunden wird sowohl die Vorbereitung und Durchführung als auch die Auswertung der Stunden gemeinsam mit dem Mentor oder der Mentorin durchgeführt. Dabei kann individuell abgesprochen werden, wer welchen Teil des Unterrichts übernimmt und wer welche Materialien vorbereitet. Der Unterricht findet dann im Team statt, sozusagen im didaktischen Tandem. Wie viel oder wenig Anleitung Studierende brauchen und Lehrkräfte geben, ist dabei vollkommen dem individuellen Gefühl und den eigenen Kapazitäten überlassen. Es können auch nur kleine Bausteine übernommen werden wie zum Beispiel Unterrichtseinstiege oder Gruppeneinteilungen. Sobald sich Studierende sicherer fühlen, kann der Unterricht komplett eigenständig geplant werden.

junge Lehrerin beim UnterrichtenDie eigenständigen Unterrichtsstunden sollten in eigener Verantwortung konzipiert und durchgeführt werden. Studierende können ihre Unterrichtsentwürfe gemeinsam mit der Mentor-Lehrkraft besprechen und überarbeiten, bevor sie in der Praxis ausgetestet werden. Insgesamt müssen Studierende mindestens 18 Schulstunden eigenständig unterrichten, aufgeteilt auf ihre jeweiligen Fächer. Die restlichen 14 Stunden können entweder selbstständig oder im Team mit anderen Lehrkräften durchgeführt werden. 

Im Anschluss an jede eigene Unterrichtsstunde ist ein Reflexionsgespräch vorgesehen, bei dem der Verlauf der Stunde besprochen und Stärken und Schwächen der Konzeption und Umsetzung herausgearbeitet werden. Wichtig ist hierbei, dass die Studierenden zunächst selbst reflektieren und benennen, was ihnen besonders gut gelungen ist, welche Schwachstellen es (aus welchen Gründen) gab und wie man es beim nächsten Mal besser machen könnte. Erst nach der Bewusstmachung und Darlegung der eigenen Wahrnehmung ergibt das Feedback der Mentorin oder des Mentoren auch einen tiefergehenden Sinn und gewonnene Erkenntnisse können besser verknüpft werden.

Unterrichtsbesuche

Je nach Regelungen (und Kapazitäten) der Universitäten sind 1 bis 3 Unterrichtsbesuche während des Praxissemesters vorgesehen. Diese Besuche werden von Dozentinnen und Dozenten der jeweiligen Fachseminare durchgeführt und werden nicht benotet. Sie dienen lediglich dazu, ein zusätzliches hilfreiches Feedback zur Entwicklung zu geben. Studierende haben also nichts zu befürchten und sollten die Besuche als weitere Chance sehen, sich in ihrer Persönlichkeit als Lehrkraft weiterzuentwickeln. Außerdem sind die Besuche eine gute Vorbereitung auf das Referendariat. 

Wie für jede eigene Unterrichtsstunde sollte auch für die “Vorführstunde” ein möglichst detaillierter Verlaufsplan erstellt werden, der den zeitlichen Stundenverlauf, die Lerninhalte und -methoden sowie Sozialformen übersichtlich abbildet. Den Verlaufsplan sollten Studierende einige Tage vor dem Unterrichtsbesuch an ihre jeweiligen Dozentinnen und Dozenten schicken, die sie besuchen werden. 

Reflexionsgespräche mit Mentor oder Mentorin

Feedback-Gespräch mit LehrkraftNeben den kurzen Besprechungen der eigenen Unterrichtsstunden sind noch weitere Gespräche über den Lernprozess der Studierenden eingeplant. Dazu zählt obligatorisch zum einen das Orientierungsgespräch zu Beginn des Praxissemesters, in dem über potentielle Stärken und Schwächen reflektiert wird (bestenfalls nachdem die ersten eigenen Unterrichtsstunden gehalten wurden). In diesem Gespräch ist ebenfalls Raum, eigene Wünsche und Fragen zu äußern, die die kommenden Wochen betreffen. Zum anderen soll es ein abschließendes Reflexionsgespräch zum Ende des Praxissemesters geben, das die individuelle Weiterentwicklung und Kompetenzsteigerung der Studierenden fokussiert. Um dieses Gespräch möglichst fruchtbar zu gestalten, ist es sinnvoll, sich vorher Gedanken über die eigene Entwicklung während des Praxissemesters zu machen und eventuell offen gebliebene Fragen zu notieren. 

Außerunterrichtliche Aufgaben

Tätigkeiten, die vom eigentlichen Stundenplan abweichen, sollen ebenfalls von Studierenden im Praxissemester begleitet werden. Dazu zählen beispielsweise Exkursionen zu außerschulischen Lernorten (Theater, Museum, Wald), Mitbetreuung von Nachmittags-AGs (Theater-AG, Schulsanitäter, Schülerfirma, Schülerzeitung) oder die Begleitung von schulinternen Projekten und Veranstaltungen („Tage der Offenen Tür“, Schulübernachtungen, Wettbewerbe, Berufsorientierung).

Die Teilnahme an Konferenzen, Elternabenden oder schulinternen Fortbildungen ist von Seiten der Universitäten und der Studierenden meist durchaus erwünscht, da sie einmalige Einblicke in das Berufsleben geben können. Allerdings muss vorher mit der Mentor-Lehrkraft und teilweise mit der Schulleitung abgesprochen werden, ob die Teilnahme genehmigt wird, da bei solchen Veranstaltungen teilweise persönliche Informationen besprochen werden (Stichwort: Datenschutz). 

Lernforschungsprojekt

Gruppe von Studierenden am ForschungsprojektBevor das Praxissemester endet, sollen die Studierenden eine eigens konzipierte Untersuchung nach selbst gewähltem Schwerpunkt in ihren Schulen durchführen. Das Forschungsvorhaben soll von der Planung über die Durchführung bis hin zur Auswertung und Interpretation aktiv durchgespielt werden, um den Studierenden einen Einblick in die pädagogische Forschungspraxis zu gewähren. 

Das Forschungsprojekt, auch Studienprojekt genannt, kann alleine oder in Gruppen durchgeführt werden. Letzteres ist empfehlenswert, da ein größerer und differenzierterer Datensatz bearbeitet und die Arbeit aufgeteilt werden kann. So können spannendere Projekte verfolgt und der individuelle Arbeitsaufwand drastisch gekürzt werden. 

Im universitären Begleitseminar werden alle wichtigen Planungs- und Handlungsschritte gemeinsam besprochen und Fragen und Probleme gezielt geklärt. Die finalen Auswertungen und Interpretationen werden für gewöhnlich am Ende des Semesters im Seminar präsentiert und besprochen.

Weiterführende Informationen für Lehramtsstudierende in Berlin sind beispielsweise im Leitfaden der FU Berlin zu finden. Informationen für Studierende in anderen Städten befinden sich meist auf den Seiten der Senatsverwaltungen der jeweiligen Orte oder auf den Websites der Universitäten.

Erfahrungen weitergeben 

Ein halbes Jahr lang durfte ich eine 4. und 5. Klasse einer Berliner Grundschule begleiten. Im Kollegium war meine Praktikumsklasse als “besonders” und “herausfordernd” bekannt. Die Heterogenität innerhalb meiner Lerngruppe bot mir, ohne zynisch klingen zu wollen, eine hervorragende Lerngrundlage. Ich habe viel gelernt in dieser Zeit und habe die Lerngruppe in mein Herz geschlossen. Nun möchte ich meine Erkenntnisse und Erfahrungen weitergeben, um anderen Studierenden den Einstieg in das herausfordernde halbe Jahr etwas zu erleichtern.  

Zu diesem Zweck habe ich meine Erfahrungen in praktischen Tipps und Ratschlägen formuliert, die besonders unsicheren oder unzufriedenen Studierenden helfen können, Gelassenheit und Motivation zu finden. Weiterhin habe ich die Vor- und Nachteile des schulischen Praxissemesters zusammengefasst und einander gegenübergestellt. Und zu guter Letzt habe ich eine Checkliste für das Praxissemester erstellt, welche Studierenden eine gute strukturelle und zeitliche Orientierung bietet. Diese Checkliste ist auch als Pdf-Download verfügbar. 

Tipps und Ratschläge für das Praxissemester

Lehrerin mit gemaltem Superhelden-CapeSo ein Schultag kann manchmal ziemlich frustrierend und erschöpfend sein. Doch besonders in schwierigen Situationen und durch kleine Niederlagen habe ich viel über meine eigene Persönlichkeit als Lehrkraft gelernt. Die stetige Reflexion meines Verhaltens und Gespräche mit anderen Studierenden und Lehrkräften haben mir geholfen, ein paar motivierende Leitsätze und Botschaften zu formulieren, die mich in den nächsten Jahren begleiten werden.

Ich hätte mir manchmal gewünscht, einige der unten stehenden Erkenntnisse früher gewusst oder verinnerlicht zu haben. Doch auch nachdem ich mir über all diese Dinge bewusst war, hieß das noch lange nicht, dass ich sie in meinem praktischen Handeln anwenden konnte. Das ist ein langer Lernprozess. Und um diesen erfolgreich abschließen zu können, ist es notwendig, sich diese Sätze immer mal wieder vor Augen zu führen und bewusst zu verarbeiten.

  • Angelehnt an Kant: Habe Mut, deine eigenen Ideen umzusetzen und dich vielseitig auszuprobieren.
  • Sei loyal zu dir selbst: Lass dir nicht zu viel reinreden und versuche dich auch an Methoden, die deine betreuende Lehrkraft nicht so toll findet oder die noch nicht ausführlichst evaluiert wurden. Mache deine eigenen Erfahrungen.
  • Zelebriere jeden Fehler, denn genau jetzt hast du den Raum dazu!
  • Bestehe auf konstruktives Feedback zu deinen Ideen und Durchführungen.
  • Frage nach, warum dein Mentor oder deine Mentorin bestimmte Methoden oder Materialien einsetzt. Lass dir beispielsweise die Planung einer Unterrichtsstunde von deiner betreuenden Lehrkraft erklären und konzeptuelle Entscheidungen begründen.
  • Mache dir Notizen zu deinem Lernprozess. Notiere dir bestenfalls jede neue Erkenntnis in einem kleinen Buch, um die Gedanken zu ordnen, wichtige Lernschritte festzuhalten und ab und zu darauf zurückzukommen. 
  • Lege viel Wert auf Transparenz: Teile deiner Lerngruppe mit, was du für die einzelnen Unterrichtsstunden geplant hast, mache Zeitangaben zur Orientierung sichtbar und übe neue Methoden mit den Lernenden ausführlich ein.
  • Stelle immer zuerst dir selbst die Sinnfrage, bevor du den Lernenden bei jedem neuen Thema diese wichtige Frage stellst: “Warum machen wir das?” bzw. “Warum ist es wichtig, das zu lernen?” 
  • Habe Mut zur Lücke: Wenn die Uhr tickt und die Augenlider immer schwerer werden, ist es auch mal okay, dem eigenen Anspruch nicht gerecht werden zu können. Manchmal sind es genau diese Planungslücken, die uns in der Unterrichtspraxis über uns hinaus wachsen lassen, weil sie kreatives Denken und spontanes Handeln von uns abverlangen. 
  • Du musst das Rad nicht neu erfinden: Nicht jedes Lernmaterial muss von dir persönlich in Handarbeit hergestellt werden, der Griff auf bereits bestehende Unterrichtsmaterialien ist auch okay. Nur solltest du darauf achten, dass das Material auf deine Lerngruppe angepasst und differenziert ist.
  • Habe Geduld: Eine gute Lehr-Lern-Beziehung baut sich nicht von heute auf morgen auf, sondern braucht Zeit, in der Humor und Vertrauen genauso wichtig sind wie Konsequenz und Glaubwürdigkeit.

Pro und Contra auf einen Blick

Pädagogisch wertvoll beginnen wir mit den positiven Aspekten des Praxissemesters. Diese angenehmen Begleiterscheinungen liegen auf der Hand:

Unbestreitbar ist, dass das Praxissemester für alle Studierenden, die zukünftig an einer Schule arbeiten möchten, eine wertvolle Erfahrungsgrundlage sein kann. Hier wird Studierenden eine zwanglose Plattform geboten, die es ihnen ermöglicht, mehrperspektivische Einblicke in mögliche Berufsszenarien zu gewinnen. Je mehr Zeit und Engagement man in das Praktikum investiert, desto tiefschürfender werden höchstwahrscheinlich auch die Erfahrungen, die man für seine berufliche Zukunft sammelt. Doch genau da wären wir schon bei den Aspekten des Praxissemesters, bei denen es noch Optimierungspotential gibt.

 

Der anfängliche bürokratische Aufwand entsteht vor allem durch Probleme bei der Anmeldung und Zuteilung zu den Praktikumsschulen sowie durch den fehlenden Informationsfluss zwischen den Schulen und den Universitäten. Viele Schulen wussten nicht, was ihnen bevorsteht und welche Regeln und Pflichten mit dem Praxissemester zusammenhängen. Deshalb empfiehlt es sich in jedem Fall, der Schulleitung sowie der Mentor-Lehrkraft so früh wie möglich den Leitfaden zum Praxissemester zukommen zu lassen. In welcher Form das Praktikum dokumentiert werden soll, besprechen Studierende am besten mit den Universitätslehrenden, denn nicht alles, was im Leitfaden steht, muss auch genau so beherzigt werden. Individuelle Klärungen vor Beginn des Praxissemesters ersparen einem viele Minuten und Nerven.

Im Praxissemester machen Studierende sehr unterschiedliche Erfahrungen. Viele Studierende aus meinem Jahrgang berichteten nicht gerade begeistert von ihren Praktikumsschulen und betreuenden Lehrkräften. Unterforderung, Überforderung und organisatorisches Chaos an den Schulen waren die Gründe. Nur wenige haben ähnlich begeistert wie ich von ihrem Praxissemester erzählt. Das zeigt nicht nur, dass es unterschiedliche Erwartungshaltungen gibt, sondern vor allem, dass die Betreuung und somit Ausbildungsqualität im Praxissemester mehr oder weniger Glückssache ist. Nicht alle betreuenden Lehrkräfte haben das Mentoring-Programm absolviert, nicht alle wissen überhaupt, was es bedeutet, einen Praktikanten oder eine Praktikantin an ihrer Seite zu haben und schon längst nicht alle interessiert der Erkenntnisgewinn der Studierenden. Die Bildungs- und Erfahrungschancen für Studierende sind somit noch weitaus heterogener als in universitären Seminaren.

Lehrerin hat ZeitmangelDas größte Übel ist wohl der Zeitmangel. “Ich verbringe den Großteil meiner Zeit mit Dingen, für die ich nicht bezahlt werde”, antwortete ich häufig, wenn ich gefragt wurde, wie es momentan so läuft bei mir. Egal, wie tiefgreifend, wertvoll oder positiv die Erfahrungen im Praxissemester teilweise waren – über allem schwebte der Gedanke an die investierte Zeit und das fehlende Geld. Es ist nicht leicht, während des Praxissemesters einen Nebenjob wahrzunehmen, aber für viele Studierende ist es eine grundlegende Notwendigkeit, um die Lebenshaltungskosten zu decken – so auch für mich. 

Nun möchte man meinen, dass 12 Wochenstunden an einer Schule und ein paar Seminare den Zeitplan nicht so sehr sprengen können. Aber tatsächlich ist der Zeitaufwand von Studierenden im Praxissemester weitaus höher. Vor- und Nachbereitungen für die Schule kommen hinzu sowie die Präsenzzeit in den Uni-Seminaren (und deren Vor- und Nachbereitung). So kam ich während meines Praktikums schnell mal auf 30 bis 50 Wochenstunden, je nach dem, was alles vorzubereiten war. Fahrzeiten zu den Schulen, die Studierende übrigens nicht selbst auswählen können, oder der Besuch von außerplanmäßigen Seminaren an der Uni sind hier noch nicht einberechnet. Mit einem Nebenjob sieht es da eng aus.

Um die zeitliche Belastung zu reduzieren, sprechen sich viele Studierende für die Reduzierung der universitären Aufgaben aus. Die Stundenanzahl der Begleitseminare könne reduziert werden und das Forschungsprojekt entweder minimiert oder sogar ganz abgeschafft werden. Andere wiederum versuchen, eine Vergütung für Studierende im Praxissemester zu erwirken. Die Petition zur Vergütung des Praxissemesters im Lehramtsstudium ist allerdings gescheitert.[2]

Checkliste für das Praxissemester 

Alle Schritte auf einen Blick – Die Checkliste als Pdf herunterladen und direkt bearbeiten!

4 – 8 WOCHEN VOR BEGINN

  • ggf. Infoveranstaltungen an der Uni besuchen
  • in den Leitfaden zum Praxissemester einlesen
  • Unterlagen zur Vorlage an der Schule vorhanden?
  • Protokoll über die Belehrung zum Infektionsschutzgesetz
  • Verschwiegenheitserklärung
  • polizeiliches, erweitertes Führungszeugnis (+ Begleitschreiben der Uni)
  • Informationsbrief zum Lernforschungsprojekt
  • über die Schule informieren (Konzept, Schulprogramm, Besonderheiten, …)
  • Kontakt mit der Mentorin oder dem Mentor aufnehmen → Terminvereinbarung für erstes persönliches Gespräch (zeitliche Kapazitäten, Stundenplan, Interessen, …)

 1 WOCHE VOR BEGINN

  • ein kurzes Schreiben über sich selbst verfassen und mit Foto ausstatten, um es im Lehrerzimmer aufzuhängen
  • ggf. bei Lehrenden an der Universität per Mail nachfragen, wie streng die Auflagen zum Praktikumsplan und zu den Stundenzetteln eingehalten werden müssen, um sich unnötigen Stress zu ersparen
  • ggf. Tabelle auf dem PC anfertigen, in der eigene Stunden, Gespräche, Unterrichtsbesuche, Ausflüge und sonstigen Termine festgehalten werden können

1. MONAT IM PRAKTIKUM

  • sich selbst vor der Klasse vorstellen (zur Not einen kleinen Text einüben)
  • Infozettel über sich selbst im Lehrerzimmer aufhängen
  • ggf. kleine Aufmerksamkeiten als Einstand mitbringen für das Lehrerzimmer
  • Kennenlernen, neue Kontakte knüpfen (Schulleitung, Hausmeister, Sekretariat, …)
  • wichtige Dokumente bei Schulleitung abgeben (siehe oben)
  • im Gebäude orientieren (Kopierraum, Aula, Mensa, Sporthalle, …)
  • über schon feststehende außerunterrichtliche Termine informieren (Konferenzen, Elternabende, Ausflüge, Tag der offenen Tür, etc.)
  • eigene Unterrichtsideen und Wünsche mit Mentorin bzw. Mentor besprechen
  • Rituale und Regeln in der eigenen Lerngruppe aufmerksam verfolgen und aktiv begleiten, um sie für die eigenen Unterrichtsstunden zu nutzen

2. MONAT IM PRAKTIKUM

  • auch bei anderen Jahrgängen, Klassen und Fächern reinschnuppern, unterschiedliche Lehrkräfte und Unterrichtsstile kennenlernen
  • Beobachtungsschwerpunkte identifizieren
  • kriteriengeleitete Hospitationen durchführen (Schwerpunkte werden in den Begleitseminaren besprochen)
  • eigene Unterrichtsstunden planen, durchführen und reflektieren (gerne auch schon ab dem ersten Tag, aber besser gelingt es, wenn man mit der Lerngruppe schon vertraut ist und einen Überblick über soziale Verhältnisse der Klasse hat)
    • Vorsicht: Studierenden ist es im Praxissemester nicht gestattet, die Lerngruppen in Abwesenheit einer pädagogischen Fachkraft zu betreuen. Sie sollten deshalb immer darauf achten, dass eine Lehrkraft im Raum ist, wenn sie Betreuungsaufgaben oder Unterrichtsstunden übernehmen. 
  • erstes Reflexions- und Orientierungsgespräch mit Mentorin oder Mentor führen, um auf Basis der ersten gehaltenen Stunden die eigenen Stärken und noch ausbaufähigen Aspekte im Lehrverhalten zu besprechen
  • an der Uni: Termine für Unterrichtsbesuche mit den jeweiligen Lehrenden abklären

3. MONAT IM PRAKTIKUM

  • an der Uni: Lernforschungsprojekt planen 
  • Durchführung des Lernforschungsprojekts an der Schule ankündigen (Schulleitung), Einverständniserklärungen in der Klasse verteilen und einholen
  • ggf. Modulabschlussarbeit beginnen bzw. vorbereiten
  • weiterhin Hospitationen und komplexitätsreduzierte Aufgaben durchführen
  • weiterhin eigene Unterrichtsstunden planen, durchführen und reflektieren

4. MONAT IM PRAKTIKUM

  • Lernforschungsprojekt durchführen und auswerten
  • weiterhin Hospitationen und komplexitätsreduzierte Aufgaben durchführen
  • weiterhin eigene Unterrichtsstunden planen, durchführen und reflektieren

ZUM SCHLUSS

  • Teilnahmebescheinigung von der Schulleitung und der Mentor-Lehrkraft unterschreiben lassen → in der Uni abgeben
  • der Schulleitung alle Infos aus dem Lernforschungsprojekt zukommen lassen (Exposé, Ergebnisse, etc.)
  • ggf. ein kleines Abschiedsgeschenk für die Klasse und Mentor-Lehrkraft vorbereiten

 

Was zu sagen bleibt…

Halten wir fest, was ohnehin schon ersichtlich war: Die Umsetzung des Praxissemesters hat noch einige Schwachstellen, die so manchen Studierenden den Schweiß auf die Stirn treiben und teilweise dafür sorgen, dass die Angst vor dem Referendariat noch größer wird. Das halbe Jahr bietet Studierenden andererseits eine einzigartige Erfahrung, die unbedingt bewusst genutzt werden sollte. Ein halbes Jahr wertungsfrei explorieren, beobachten, experimentieren und Fehler machen – das ist ein Privileg!

Praxissemester geschaftWenn man sich auf die Zeit in der Praktikumsklasse bewusst einlässt und es wagt, ganz eigene Projekte auf die Beine zu stellen und bereit ist, dafür ein paar Nächte vor dem Bildschirm zu verbringen… Dann können großartige Momente entstehen, die nie wieder in Vergessenheit geraten. Diese Momente sind es, die Lehrkräfte an ihre Tätigkeit glauben lassen. 

Und genau deswegen lautet mein Resümée zum Praxissemester: “Non, je ne regrette rien” – Ich bereue nichts. Jede Minute, jeder Cent, jede Schweißperle, jeder gerissene Nervenstrang und jeder verursachte Synapsensalat war es im Nachhinein wert. Dieses Gefühl wünsche ich anderen Studierenden auch. 

 

Quellen:

[1] Leitfaden zum Praxissemester der FU Berlin

[2] Petition zur  Vergütung des Praxissemesters im Lehramtsstudium

Autorin: Carla

Für etwa drei Jahre schrieb ich Artikel für das phase6 Magazin und das Lehrkräfte Magazin. Mit besonderer Vorliebe widmete ich mich dabei spannenden Themen der pädagogischen Psychologie in Theorie und Praxis. Während meines Referendariats an einer Berliner Grundschule schrieb ich Erfahrungsberichte und gab einen Einblick in meinen Schul- und Ausbildungsalltag. Mittlerweile befinde ich mich in der turbulenten Berufseinstiegsphase und darf eine jahrgangsgemischte Lerngruppe an einer montessori-orientierten Grundschule in Berlin unterrichten.