Als Lehrkraft gehört es zu Ihrem Job, täglich unzählige Fragen von Lernenden zu beantworten. Das Antworten und Erläutern gehört sozusagen zu Ihren Kernkompetenzen. Genau diese wollen wir nutzen – nur stellen hier nicht die Schülerinnen und Schüler die Fragen, sondern Erwachsene.
Sie selbst wissen, wie wichtig der regelmäßige Austausch im Kollegium für Ihre persönliche Entwicklung ist. Mit der Serie “Nachgefragt!” möchte phase6 Lehramtsstudierenden, Personen im Referendariat und ausgebildeten Lehrkräften eine Plattform bieten, in der ein Austausch über essentielle Fragen zum Lehrberuf stattfinden kann.
Wir fragen – Lehrkräfte antworten. Dieses Mal zur Frage:
„Wie trennen Sie Berufliches von Privatem?“
Lydia unterrichtet Englisch und Französisch an einer Berliner Grundschule.
Diese Frage ist für mich nicht leicht zu beantworten, denn ich merke immer wieder, dass ich Berufliches und Privates nur schwer trennen kann. Ich habe oft das Bedürfnis, meinem Partner vom Schulalltag zu erzählen, besonders, wenn es auffällige Kinder gibt. Diese Geschichten gehen mir sehr nah. Ich tausche mich aber auch viel mit dem Kollegium aus, vor allem die Klassenleitung ist hierfür eine gute Anlaufstelle, denn sie kennt die familiären Hintergründe ihrer Schülerinnen und Schüler am besten. So bleibt ein großer emotionaler Teil vom Berufsalltag bereits im Schulgebäude. Das hilft, nach dem Feierabend an etwas anderes zu denken.
Sport und Natur helfen mir auch sehr, um Belastungen aus dem Schulalltag zu verarbeiten. Ich schaffe mir immer wieder bewusst Auszeiten, in denen ich keinen Unterricht plane und auch meine Schul-Emails nicht checke. Das ist aufgrund der ständigen Erreichbarkeit heutzutage gar nicht so einfach.
Ein weiterer Tipp, den ich jedoch leider nicht immer umsetzen kann, ist es, in der Schule zu arbeiten. Aufgaben wie z.B. Klassenarbeiten korrigieren, Emails beantworten oder den Unterricht vorbereiten, nicht mit nach Hause zu nehmen, sondern in der Schule zu bearbeiten. Das ist allerdings nur möglich, wenn man im Lehrerzimmer einen passenden und ruhigen Arbeitsplatz zur Verfügung hat. Sobald ich später eine größere Wohnung habe, richte ich mir definitiv ein kleines Arbeitszimmer ein, was ich abends oder am Wochenende einfach zumachen kann.
Andersherum haben private Angelegenheiten selbstverständlich auch im Unterricht nichts zu suchen. WhatsApp und soziale Netzwerke sind meiner persönlichen Ansicht nach sowieso ein No-Go im Schulalltag.
Kim unterrichtet die Fächer Deutsch und Arbeitslehre an einer integrierten Gesamtschule in Hessen.
Zugegeben: Mir will die Trennung von Beruflichem und Privatem auch nach fast 20 Dienstjahren nicht immer gelingen, zumal ich als Klassenlehrerin immer ein relativ enges Verhältnis zu meinen Schülerinnen und Schülern und deren Eltern habe. Da es aber immer weniger Eltern gibt, die auf eine Zusammenarbeit mit der Schule wert legen, habe ich immerhin gelernt, dass ich nicht alle Jugendlichen retten kann.
Auch wenn es mir schwerfällt, muss ich manche Kinder „aufgeben“, da mein Engagement allein nicht hilft, wenn die Eltern ihre Unterstützung verweigern.
Ich habe Kollegen, die legen nach Verlassen des Schulgeländes „einen Schalter um“ und haben den Kopf frei. Beneidenswert! Mir hingegen geht es so, dass ich noch Kontakt mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern halte, die seit 15 Jahren aus der Schule sind und das tut mir gut. Ich kann verfolgen, was aus meinen „Schäfchen“ geworden ist, welche Schicksale sie begleitet haben und es macht mir Freude, dass sie unsere gemeinsame Zeit nicht vergessen haben.
Wenn mich heute allerdings Mütter abends um 22.00 Uhr zuhause anrufen und mich fragen, wo denn ihre Töchter seien, greife ich mir ans Hirn. Da ist die Grenze dann endgültig überschritten. Dann aber meine ich, ich muss das Kind vor seinen Eltern schützen und laufe wieder zur Höchstform auf: Was kann ich machen, um das Kind da raus zu bekommen?
Abschalten: nächstes Ziel!
Franziska unterrichtet seit August 2019 an einem Berliner Gymnasium Englisch und Deutsch.
Die Herausforderung, Berufliches von Privatem zu trennen, zieht sich im Lehrberuf durch verschiedene Ebenen, unter anderem die ‚professionelle Ebene‘ und die ‚soziale Ebene‘, wie ich sie nenne.
Die Trennung in professioneller Hinsicht erscheint leichter, da beispielsweise Unterricht und Klassenarbeiten ausschließlich in der Schule vor- und nachbereitet werden könnten, sodass der Ort Schule den einzigen Arbeitsplatz darstellt. Sofern eine komplette räumliche Trennung unmöglich erscheint, kann es mitunter helfen, sich feste Zeiten für Arbeit und Freizeit festzulegen. Demnach könnte man sich vornehmen, nach 20 Uhr nicht mehr am Schreibtisch zu sitzen oder am Wochenende zum Beispiel nie sonntags zu arbeiten, unabhängig davon, wie hoch sich die Aufgaben auf dem Schreibtisch stapeln.
Schwieriger erscheint die Trennung im Hinblick auf die ‚soziale Ebene‘, da der Lehrberuf – wie alle sozialen Berufe – tagtäglich individuelle Schicksale und emotionale Angelegenheiten der Schülerinnen und Schüler freilegt. Auch hier gibt es kein Patentrezept für eine gelungene Trennung, jedoch kann es in solchen Situationen helfen, sich am Ende des Tages eine Liste zu schreiben, in der festgehalten wird, worauf man am nächsten Tag (oder in der nächsten Woche) unbedingt achten bzw. woran man denken möchte und was für positive Entwicklungen an diesem Tag stattfanden. Das Aufschreiben der eigenen Gedanken kann insofern kathartisch wirken, als dass es jederzeit nachgelesen werden kann und somit nicht mehr ein reines Gedankenwirrwarr darstellt, sondern konkrete Überlegungen visualisiert.
Und was ist mit Ihnen?
Wie würden Sie die oben stehenden Fragen für sich beantworten? Die Antworten der Autorinnen und Autoren spiegeln ihre jeweiligen Erfahrungen und Standpunkte wider. Vielleicht haben Sie eine ganz andere Perspektive auf die Dinge oder gar gegenteilige Erfahrungen gemacht. Falls Sie weitere Anmerkungen, konstruktives Feedback oder Fragen zum Beitrag haben, schreiben Sie uns gerne über das Kontaktformular ganz unten auf der Seite.
Lesen Sie auch die Antworten zu anderen Fragen der Serie:
Möchten Sie weitere spannende Beiträge rund um Schule, Lehren und Lernen lesen? Dann besuchen Sie das phase6 Magazin für Lehrkräfte und lassen Sie sich inspirieren!
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Lydia
Lydia hat die Fächer Englisch und Französisch in Potsdam auf Lehramt (Grundschule und Sekundarstufe I) studiert und zwei Semester in Frankreich im Rahmen des Erasmusprogramms verbracht. Neben dem Studium absolvierte sie viele Praktika und Nebenjobs im schulischen und außerschulischen Bereich. Durch das Leiten von Lern- und Sprachförderungen an Berliner Grundschulen, durch Methodenworkshops und den Einsatz als Sprachlernassistenz in einer Willkommensklasse sowie im Praxissemester an der Deutschen Schule in Genf konnte sie erste Praxiserfahrungen sammeln. Das Referendariat, welches Lydia an einer ISS mit gymnasialer Oberstufe absolvierte, prägte sie sehr. Die Höhen und Tiefen im Vorbereitungsdienst stärkten die junge Lehrerin in ihrer Lehrpersönlichkeit und sorgen nun für Vorfreude auf den Schulalltag als ausgebildete Lehrkraft in Berlin seit dem Schuljahr 2019.
Kim
Kim arbeitet seit fast 20 Jahren als Lehrerin an einer integrierten Gesamtschule in Hessen. Sie startete erst mit 37 Jahren ins Referendariat, unterrichtet seitdem Deutsch und Arbeitslehre in der 7. bis 10. Jahrgangsstufe und übernimmt die Klassenleitung. Die Arbeit mit Intensivklassen macht ihr seit ein paar Jahren besonders viel Spaß, denn die Lernerfolge werden mit den geflüchteten Kindern und Jugendlichen schnell deutlich. Da Kim selbst drei Kinder hat, weiß sie gut, wie diese im pubertären Alter ticken. Neben gutem Unterricht sind ihr intensive Elternarbeit sowie eine fundierte Vorbereitung ihrer Schülerinnen und Schüler auf das Leben besonders wichtig. Kims Steckenpferd ist die Nutzung außerschulischer Lernorte und die regelmäßige Teilnahme an Schulwettbewerben – So konnten schon viele Jugendliteraturpreise und Fotowettbewerbe gewonnen werden.
Franziska
Nach dem Master of Education an der Humboldt-Universität zu Berlin startete Franziska im Schuljahr 2019 in den Vorbereitungsdienst an einem Berliner Gymnasium. Die Liebe zu ihren Fächern Deutsch und Englisch verstärkte sich insbesondere durch diverse Auslandsaufenthalte (Erasmus in England, Schulpraktika an der Deutschen Schule in Rio de Janeiro und der Deutschen Schule in Porto) und Praktika im Goethe-Institut und einer privaten Sprachschule. Dank dieser verschiedenartigen Kulturkreise und Schul- und Unterrichtsformen sowie ihres studentischen Nebenjobs bei “Studenten machen Schule” und “Schule Plus” konnte Franziska bereits viele Unterrichtserfahrungen sammeln. All diese Erfahrungen steigern ihre Vorfreude auf das Referendariat und den Lehrberuf.