“Nach wie vor ist gemeinschaftliches Leben ohne Rituale und Ritualisierungen nicht möglich”[1], schreibt Christoph Wulf, Professor für Anthropologie und Erziehung an der Freien Universität Berlin.
In allen Bereichen der Sozialisation und Erziehung spielen Rituale eine zentrale Rolle. Sie werden von Fachkräften der Pädagogik und Erziehungswissenschaft hoch geschätzt und gern im Kindergarten oder der Schule eingesetzt, um den Tagesablauf zu strukturieren und Orientierung zu bieten. Dabei folgen Rituale bestimmten Kriterien und sind nicht zu verwechseln mit Routinen oder Regeln.
Was sind Rituale?
Rituale werden überall auf der Welt zelebriert. Es gibt zahlreiche kulturelle, religiöse und regionale Rituale, die die unterschiedlichsten Handlungen und Materialien beinhalten und vielfältige Bedeutungen tragen. In diesem Artikel geht es nicht etwa um die zeremoniellen Riten bestimmter Volksstämme, sondern um pädagogisch wertvolle Rituale, die den Lernalltag in größeren Gruppen sinnvoll strukturieren können.
Solche Interaktionsrituale werden beispielsweise zur Begrüßung, Verabschiedung oder internen Organisation genutzt. Saisonale oder festliche Rituale wiederum werden zelebriert, um eine bestimmte Zeit (Weihnachten, Ostern, Geburtstage) im Jahr zu feiern.
Der Duden beschreibt ein Ritual als “wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung”.[2] In dieser festgelegten Ordnung ist immer eine klare Kennzeichnung von Anfang und Ende des Rituals enthalten, um den besonderen Rahmen der Handlung zu skizzieren und für alle Beteiligten transparent zu machen.
Christoph Wulf fügt noch ein weiteres Charakteristikum an, das die begriffliche Abgrenzung von Routinen deutlicher macht: Während Routinen – wie etwa die morgendliche Aufsteh-Routine – für gewöhnlich individuell und persönlich durchgeführt werden, ist der soziale Kontext ein Kernelement von Ritualen, denn für die Durchführung bedarf es immer mehrerer Personen. Der Autor formuliert Kriterien, die ein Ritual darüber hinaus erfüllen muss, um als solches zu gelten. Demnach sind Rituale unter anderem körperlich, performativ, expressiv, symbolisch, regelhaft, effizient und repetitiv.[1]
Warum sind Rituale wichtig im Schulalltag?
- Sie strukturieren den Schulalltag.
Das Agieren in sozialen Arrangements hat gleich mehrere positive Effekte. Der repetitive Charakter von Ritualen sorgt unter anderem dafür, dass sich bei den Schülerinnen und Schülern eine gewisse Erwartungssicherheit entwickeln kann. Sie wissen, was sie erwartet und können sich durch diese Verlässlichkeit entspannen. Das sorgt für eine Entlastung des Arbeitsgedächtnisses und weiterhin für ein angenehmes Lernklima.
- Sie stärken die Gemeinschaft.
Laut Wulf erzeugen Rituale Gemeinschaft und fördern folglich das Zusammengehörigkeitsgefühl durch wiederholtes gemeinschaftliches Handeln mit einem gemeinsamen Ziel. Dadurch steigt das Wohlbefinden der einzelnen Lernenden innerhalb der Lerngruppe. Die soziale Eingebundenheit fördert zusätzlich eine positive Entwicklung des Selbstkonzepts.
- Sie vermindern Unterrichtsstörungen.
Erwartungssicherheit, Verlässlichkeit, Orientierung und soziale Eingebundenheit – das sind alles positive Attribute, die Heranwachsenden Sicherheit, Vertrauen und Gelassenheit schenken und dadurch störendes Verhalten minimieren. So wird Ihnen als Lehrkraft das Classroom-Management erleichtert.
- Sie schaffen mehr Zeit für Unterricht.
Die Etablierung von Regeln und Ritualen kostet zunächst Zeit. Doch sind die Abläufe erst einmal verinnerlicht, können Rituale eine dankbare Maßnahme darstellen, um Zeit zu sparen. Wenn die Lernenden das Prozedere automatisiert haben, werden alltägliche Abläufe beschleunigt und bestimmte organisatorische Entscheidungen können mit der Zeit schneller getroffen werden.
Sinnvolle Rituale für den Unterricht
Während meiner Praktika an Berliner Grundschulen durfte ich einige wertvolle Rituale beobachten und aktiv daran mitwirken. Die meisten davon habe ich in einer gemischten Lerngruppe aus der 4. und 5. Jahrgangsstufe kennengelernt. Dennoch lassen sich alle Ideen bereits ab der 1. Klasse einführen – je früher, desto besser! Für Schülerinnen und Schüler der 6. bis 10. Klasse eignet sich vor allem der Klassenrat und das Ritual zur Konfliktlösung.
Besonders sinnvoll sind die aufgelisteten Rituale für Lehrkräfte mit einer Klassenleitung oder solche, die ihre Lerngruppe im Schulalltag sehr regelmäßig und lange betreuen im Schulalltag. Rituale leben von ihrer regelmäßigen Wiederholung in vertrauten Umgebungen. Für Fachlehrkräfte, die ihre Lerngruppe nur zwei Mal pro Woche sehen, empfiehlt sich daher eher die Einbettung kurzer Begrüßungs- und Verabschiedungsrituale oder die Nutzung saisonaler Rituale im Fachunterricht.
Die im Folgenden vorgestellten Interaktions- und Saisonrituale können Ihnen als Inspiration für die persönliche Tagesgestaltung mit Ihrer Lerngruppe dienen. Jedes Ritual bietet in seiner Beschreibung lediglich ein mögliches Gerüst, an welchem Sie sich inhaltlich oder strukturell orientieren können. Der freien und kreativen Umsetzung der Rituale sind allerdings keine Grenzen gesetzt, sodass Sie jede rituelle Handlung gemeinsam mit Ihrer Klasse individualisieren und personalisieren können.
Interaktionsrituale
1) Morgenkreis am Wochenanfang
Art des Rituals: Interaktionsritual zur Begrüßung
Ablauf:
Es ist Montagmorgen, 07:55 Uhr, die erste Unterrichtsstunde nach dem Wochenende. Die Kinder betreten den Klassenraum, legen ihre Schulranzen ab und setzen sich in den Sitzkreis. Um 08.00 Uhr eröffnen Sie den Unterricht, indem Sie in den Sitzkreis zur Lerngruppe kommen und allen einen guten Morgen wünschen.
Nun darf jedes Kind reihum etwas von seinem Wochenende erzählen. Nachdem ein Kind fertig erzählt hat, dürfen die anderen Kinder der Klasse Nachfragen stellen. Es ist ratsam, den Lernenden vorher zu sagen, dass sie sich ein Highlight aus ihrem Wochenende aussuchen sollen, von welchem sie berichten wollen. Weiterhin sollte die Anzahl der Nachfragen begrenzt werden, lassen Sie beispielsweise maximal drei Fragen pro Kind zu. So verhindern Sie, dass die Kinder unruhig werden und sich der Erzählkreis womöglich noch bis in die große Pause ausdehnt.
Das Morgenkreis-Ritual wirkt sich zum einen gemeinschaftsstärkend auf die Lerngruppe und zum anderen förderlich auf Ihre Beziehung zu den einzelnen Lernenden aus. Durch die persönlichen Anekdoten lernen Sie Ihre Klasse auf eine andere Art kennen und schätzen.
Besonderheiten:
Es herrscht eine ruhige, entspannte Stimmung, in der jedes Kind etwas aus seinem persönlichen Leben außerhalb der Schule erzählen kann. Das Ritual zeichnet sich zudem durch eine hohe mündliche Beteiligung aller Schülerinnen und Schüler aus.
Regelmäßigkeit:
Jeden Montagmorgen bzw. zum Wochenbeginn.
2) Gemütlicher Sitzkreis zum Tagesbeginn
Art des Rituals: Interaktionsritual zur Begrüßung und Organisation
Ablauf:
Ähnlich wie beim Morgenkreis-Ritual kommen die Schülerinnen und Schüler zum Beginn des Tages in den Sitzkreis. Nach einem wachen “Guten Morgen!” können Sie die Lernenden zunächst einmal fragen, wie es ihnen heute geht. Die Rückmeldung kann in Form von Daumen-Feedback gegeben werden: Jedes Kind zeigt den Daumen nach oben, mittig oder nach unten – je nachdem, wie es ihm an diesem Morgen geht. So erhalten Sie schnell und unkompliziert ein grobes Bild von der Gesamtstimmung der Klasse und können gegebenenfalls bei Auffälligkeiten nachfragen.
In diesem Morgenkreis erzählen die Kinder nicht vom Wochenende, sondern klären mit Ihnen gemeinsam organisatorische Anliegen des Tages. Das kann zum Beispiel die Besprechung des heutigen Stundenplans sein, um Transparenz herzustellen. Wichtige Termine wie Klassenarbeiten oder Ausflüge können angekündigt, unterschriebene Elternbescheide eingesammelt und dringende Fragen im Plenum geklärt werden.
So wird der Tagesablauf für alle verständlich gemacht und konkretisiert. Das bereitet Ihre Lerngruppe – egal ob 1. oder 10. Klasse – optimal auf den Tag vor!
Besonderheiten:
Das Ritual hat zwar einen organisatorischen Fokus, sollte aber dennoch in einer gemütlichen Atmosphäre durchgeführt werden, zum Beispiel mit (Sitz-)Kissen und einer Klangschale, die den Anfang und das Ende des Rituals signalisiert.
Regelmäßigkeit:
Täglich zu Beginn der ersten Stunde, maximal 30 Minuten einplanen.
3) Reflexion am Ende des Schultages
Art des Rituals: Interaktionsritual zur Verabschiedung und Reflexion
Ablauf:
Kurz vor Ablauf der letzten Schulstunde werden alle Schülerinnen und Schüler gebeten, ihre Arbeitsmaterialien wegzupacken, den Klassenraum aufzuräumen und in den Sitzkreis zu kommen. Dort angekommen können Sie sich als Lehrkraft zunächst ein grobes Meinungsbild mithilfe des Daumen-Feedbacks einholen (“Wie seid ihr heute vorangekommen?” → Lernende zeigen Daumen nach oben, unten oder mittig). Sollten viele Daumen nach unten zeigen, kann im Plenum besprochen werden, woran es bei den einzelnen Lernenden lag.
Anschließend können einzelne Lernende laut berichten, was sie heute alles geschafft haben, worauf sie besonders stolz sind oder was ihrer Meinung nach weniger optimal gelaufen ist. Effektiver für jedes einzelne Kind ist es allerdings, wenn Sie diese Form der Selbstreflexion als stillen Schreibauftrag formulieren, sodass wirklich jedes Kind in den Reflexionsmodus versetzt wird und aktiv mitdenkt.
Die Lernenden schreiben so beispielsweise jeden Tag mindestens einen Satz zu ihrem heutigen Lernerlebnis auf, in welchem sie sich und ihr (Lern-)Verhalten ehrlich reflektieren. Das Ritual kann auch genutzt werden, um das Selbstkonzept der Lernenden zu stärken, indem sie täglich notieren, worauf sie heute stolz sein können. Das Ritual wird durch eine gemeinsame Verabschiedung abgeschlossen.
Besonderheiten:
Dieses Ritual kann besonders leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern ein hilfreiches Geländer zur Orientierung bieten, da sie auf ihre persönliche Lernentwicklung zurückblicken können.
Es kann auch zur Evaluation neuer Unterrichtsmethoden genutzt werden. Sie können Ihre Klasse in dem Fall um ein Feedback Ihres (heutigen) Unterrichts bitten und die Anregungen für die zukünftige Stundengestaltung nutzen.
Regelmäßigkeit:
Bestenfalls jeden Tag kurz vor Schulschluss.
4) Warme Dusche
Art des Rituals: Interaktionsritual zur Persönlichkeitsstärkung
Ablauf:
In unregelmäßigen Abständen werden zwei bis vier Kinder aus der Klasse ausgewählt, die eine “warme Dusche” von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern bekommen – ganz ohne Wasser. Dafür sitzt die Lerngruppe im Sitzkreis und nacheinander kommen die ausgewählten Kinder an die Reihe. Nun dürfen alle, die etwas positives zu dem jeweiligen Kind sagen möchten, eine nette Botschaft an das Kind aussprechen. Der Name des Rituals erschließt sich aus dem Gefühl, dass die Kinder während des Rituals haben sollen. Die Botschaften sollen angenehm, weich und wohligwarm bei den Kindern ankommen.
Besonderheiten:
Besonders im Hinblick auf die Stärkung des Selbstwertgefühls ist das ein sehr wertvolles Ritual, welches von den Heranwachsenden für gewöhnlich gerne zelebriert wird. Um eine gewisse Routine im Ablauf zu entwickeln, bieten sich zudem Formulierungshilfen für die Lernenden an, die im Laufe der Zeit automatisiert und individuell weiterentwickelt werden können.
Beispiele dafür sind:
“Ich finde super, dass du …”
“Du kannst stolz auf dich sein, weil …”
“Mich hat beeindruckt, dass …”
“Du hast ein Lob verdient, weil …”
“Du gibst dir viele Mühe bei …”
“Ich finde dich toll, weil …”
Regelmäßigkeit:
Nach Belieben, mindestens aber einmal pro Monat, damit die Lernenden das Ritual nicht aus dem Blick verlieren und alle Kinder in den Genuss der warmen Dusche kommen.
5) Konflikte gemeinsam lösen
Art des Rituals: Interaktionsritual zur Konfliktlösung
Ablauf:
Ob es um Rangeleien in der Pausenzeit geht, um Beleidigungen während des Unterrichts oder um handgreifliche Übergriffe – oft herrscht unter Peers viel Trubel auf der sozialen Ebene. Bei größeren Konflikten, die im Plenum geklärt werden sollten, bitten Sie alle Klassenmitglieder, sich im Sitzkreis zu versammeln.
Nennen Sie den Grund für die spontane Versammlung und geben Sie das Wort – sofern das Konfliktlöseritual bereits bekannt ist – an die Klassensprecherinnen bzw. Klassensprecher weiter. Diese führen nun durch den weiteren Verlauf und ein weiteres Kind übernimmt die Protokollführung.
Die Lerngruppe geht nun nach folgendem Prinzip vor:
Zuerst wird immer die Art des zu lösenden Konflikts bestimmt (Handelt es sich um einen Beziehungskonflikt? Oder um einen Konflikt durch Missverständnisse oder Meinungsverschiedenheiten? Ist der Konflikt aus Langeweile, Eifersucht oder Streit um eine Sache entstanden?).
Dann kommen die Betroffenen nacheinander zu Wort. Es redet immer nur ein Kind, das in seiner Redezeit weder unterbrochen noch abgelenkt wird. Die Gesprächsleitenden geben die Gesprächsstruktur vor, welche von jedem betroffenen Kind in gleicher Reihenfolge eingehalten wird:
Sobald ein betroffenes Kind seine Eindrücke geschildert hat, ist Raum für Nachfragen oder Anmerkungen vom Rest der Klasse. Die Diskussionsführenden achten stets darauf, dass die Gesprächsregeln eingehalten werden und fordern am Ende der Berichterstattungen alle Kinder auf, über konkrete Lösungsvorschläge für das jeweilige Problem nachzudenken.
Im Plenum kommen somit schnell vielfältige Lösungsansätze zusammen – ganz ohne die Lehrkraft zu involvieren. Am Ende entscheiden sich die Lernenden für den Lösungsvorschlag, mit dem alle Beteiligten zufrieden sind. Abschließend wird die Zustimmung der Lehrkraft eingeholt.
Besonderheiten:
Diese Form der Konfliktlösung kann besonders wirkungsvoll sein, da die Kinder autonom agieren können und sich innerhalb ihrer Lerngruppe selbst organisieren müssen. Die Kinder spüren, dass sie für diesen Moment die gesamte Verantwortung für den Verlauf der Stunde tragen und das sorgt dafür, dass sich mehr Kinder an die vereinbarten Klassen- und Konfliktregeln halten. Lernende können hier Erfahrungen von Autonomie und Kompetenzerleben sammeln, was förderlich für die eigene Selbstwirksamkeitserwartung ist.
Regelmäßigkeit:
Bei jedem größeren Konflikt, der im Plenum geklärt werden sollte.
6) Klassenrat
Art des Rituals: Interaktionsritual zur Organisation und Konfliktlösung
Ablauf:
In einem Klassenrat werden wichtige Themen aus dem Schulalltag (z.B. Neuigkeiten aus dem Schülerparlament, neue Bestimmungen der Schule etc.) zusammengefasst und organisatorische Angelegenheiten (Exkursionen, Sportfeste, Elternabend etc.) geklärt. Klassenratssitzungen folgen prinzipiell fünf Handlungsschritten:
- Begrüßung: Die Klasse trifft sich im Stuhlkreis und wird von den Diskussionsleitenden begrüßt (meist Klassensprecher/in). Die Rollen bzw. Ämter (Zeitwächter/in, Protokollant/in, Regelwächter/in…) werden ebenfalls verteilt.
- Rückblick: Der oder die Protokollführende fasst die Beschlüsse des letzten Klassenrats zusammen und fragt ins Plenum, ob sie bereits umgesetzt wurden. Falls nichts, werden die offenen Punkte auf die aktuelle Tagesordnung übertragen.
- Tagesordnung festlegen: Aktuelle Themenvorschläge werden gesammelt und in die Liste der Tagesordnungspunkte aufgenommen. Eine Reihenfolge sollte entsprechend der Dringlichkeit der einzelnen Themen festgelegt werden – darüber kann abgestimmt werden. Hier kann auch eine ungefähre zeitliche Begrenzung vorgenommen werden. Wenn also 6 Themen auf der Liste stehen und 30 Minuten verfügbar sind, sollte pro Thema nicht mehr als 5 Minuten beraten werden (je nach Wichtigkeit natürlich).
- Besprechung der Anliegen: Die Themen werden Schritt für Schritt abgearbeitet. Wer das Thema eingebracht hat, trägt das jeweilige Anliegen kurz vor und eröffnet damit die Diskussion, die ähnlich wie beim Ritual zur Konfliktlösung ablaufen sollte. Der oder die Vorsitzende fragt abschließend nach Lösungsvorschlägen und der oder die Protokollführende notiert die aus einer Abstimmung resultierenden Beschlüsse. Hier sollte auch besprochen werden, wie konkret die beschlossenen Lösungsvorschläge umgesetzt werden können.
- Verabschiedung: Kurz vor Ende der Klassenratsstunde fasst der oder die Diskussionsleitende die Beschlüsse des Tages zusammen und bedankt sich bei allen Teilnehmenden für ihre Mitarbeit. Die Klasse wird verabschiedet (mithilfe einer Schlussformel oder eines Tonsignals wie einer Klangschale oder einem Gong).
Besonderheiten:
Beim Klassenrat übernehmen die Lernenden das Ruder und können eigenständig und verantwortungsvoll agieren. Das fördert unterschiedlichste Kompetenzen der Lernenden und erleichtert Ihnen zudem das Classroom-Management.
Regelmäßigkeit:
Bestenfalls wöchentlich eine ganze Unterrichtsstunde.
Saisonale und zeremonielle Rituale
7) Geburtstagsritual
Art des Rituals: Zeremonielles Ritual zur Persönlichkeitsstärkung
Ablauf:
Geburtstagsrituale können ganz unterschiedlich aussehen. In Grundschulen werden die meisten im Sitzkreis ausgeführt und enthalten die gleichen Grundelemente: ein Geburtstagslied, Glückwünsche und leckeren Knabbereien. Um eine schöne Atmosphäre zu gestalten, können Sie zusätzlich Kerzen anzünden (Brandschutzbestimmungen beachten – Lichterketten sind genauso effektvoll…) und Blumen oder sonstige Deko-Elemente im Sitzkreis drapieren.
Ob Sie das Geburtstagskind wortwörtlich hochleben lassen oder sein Lieblingslied spielen, wozu alle tanzen, bleibt Ihnen und Ihrer Klasse überlassen. Fragen Sie nach, was sich die Kinder wünschen würden und erweitern Sie das Ritual gemeinsam mit Ihrer Klasse.
Ein schöner Brauch innerhalb des Geburtstagsrituals sieht es unter anderem vor, dass jedes Kind aus der Klasse einen kleinen Zettel mit positiven (Glück-)Wünschen für das Geburtstagskind schreibt. Die Formulierungen hierfür ähneln denen der “warmen Dusche” sehr, sodass es den Lernenden auch hier leicht fällt, positive Botschaften zu formulieren. Die Zettel werden dem Geburtstagskind anschließend laut vorgelesen. Wer seinen Zettel nicht vorlesen mag, gibt ihn dem Geburtstagskind direkt in die Hand.
Besonderheiten:
Geburtstage sind speziell für jüngere Kinder ganz besonders magische Tage, die zelebriert werden wollen. Nehmen Sie sich für jedes Geburtstagskind gleich viel Zeit, auch wenn der Lernstoff drücken sollte. Diese außerunterrichtliche Erfahrung genießen zu können, ist für das Kind und seine persönliche sowie soziale Entwicklung sehr wertvoll.
Regelmäßigkeit:
Zu jedem Geburtstag eines Klassenmitglieds.
8) Rituale zur Weihnachtszeit
Art des Rituals: Saisonale Rituale zum Nikolaustag und Weihnachtsfest
Ablauf:
Da es eine Fülle von Weihnachtsritualen gibt, hier eine kleine Auflistung zur Inspiration:
- Adventskalender basteln: Jedes Kind erhält ein kleines von Ihnen gepacktes Geschenketütchen (in jedem sollte in etwa das Gleiche enthalten sein). Die Tüten bzw. “Türchen” können Sie in der Klasse aufhängen. Wer welches Türchen öffnen darf, kann ausgelost werden. Wenn mehr als 24 Kinder in der Klasse sind, gibt es an manchen Tagen eben zwei Geschenketütchen. Bei weniger als 24 Klassenmitgliedern können einige Türchen Kleinigkeiten für die Klasse enthalten (beispielsweise Stempel, Karteikarten, Stifte und Ähnliches).
- Nikolaus- oder Weihnachtskarten basteln: Für Freunde oder Verwandte können persönliche Grußkarten gestaltet werden. Hier kann beispielsweise mit kreativen Lettering- oder Scrapbooking-Methoden gearbeitet werden. So wird das Vorhaben etwas anspruchsvoller und spricht auch ältere Lernende an.
- Wichteln: Sie kennen das Prozedere sicher: Die Namen aller Klassenmitglieder werden auf kleine Zettel geschrieben, welche gefaltet werden, sodass man die Namen nicht mehr erkennt. Jedes Kind schnappt sich nun einen Zettel. Der Name, der auf dem Zettel steht, ist das Kind, welches beschenkt werden soll. Nun hat jedes Kind bis zum letzten Schultag vor den Weihnachtsferien Zeit, ein kleines Geschenk für das jeweilige Kind aus der Klasse zu kaufen und verpackt mit in die Klasse zu bringen. Die Geschenke werden dann am letzten Schultag verteilt, ausgepackt und es darf geraten werden, wer wohl der Absender oder die Absenderin des Geschenks ist. Wichtig: Setzen Sie den Geldbetrag nicht höher als 5 Euro an, eher im Bereich von 2-4 Euro. An Schulen mit vielen Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien sollten Sie überlegen, ob Sie dieses Spiel durchführen können oder eventuell manche Eltern damit überfordern könnten.
- Pakete für Hilfsorganisationen zusammenstellen: Jedes Kind bringt etwas von zu Hause mit, was es nicht mehr braucht. Die Gegenstände sollten natürlich in einem guten Zustand sein (unbedingt darauf hinweisen). Aus den Mitbringseln wird nun gemeinsam ein großes Spendenpaket generiert, was an eine Hilfsorganisation gespendet werden kann. Um es rituell zu gestalten, können ab dem 1. Dezember immer zwei Kinder aus der Klasse ihre Mitbringsel vorstellen und in den Karton packen. Falls gewollt, können die Kinder dazu ihre Wünsche für die Kinder äußern, an die das Hilfspaket gehen soll.
- Ein kleines Sozial-Projekt starten: Wenn die zeitlichen und materiellen Ressourcen zur Verfügung stehen, ist es für Klassen eine tolle Erfahrung, eigene soziale Projekte in ihrem Schulumfeld zu starten. Kochen Sie beispielsweise gemeinsam Suppe und Tee und verteilen die kräftigenden Mahlzeiten an Obdachlose oder helfen Sie gemeinschaftlich in einer Küche für Obdachlose aus. Veranstalten Sie gemeinsam einen Flohmarkt, einen Theaterabend oder eine Ausstellung und spenden den Erlös an lokale Hilfsprojekte. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich gemeinsam mit Ihrer Klasse sozial zu engagieren.
Besonderheiten:
Besonders in Klassen mit vielen Kindern nicht-deutscher Herkunft sollten Sie sich vorher genau informieren, ob und wie die einzelnen Kinder Weihnachten in ihrer Familie zelebrieren. Sollten Sie verschiedene Weihnachtsbräuche und -rituale in der Klasse vorfinden, ist das eine tolle Gelegenheit, ein interkulturelles Weihnachtsprojekt zu starten. Das Motto könnte lauten “Weihnachten in anderen Kulturen” oder “Wie feiern andere Kinder Weihnachten?” und die Kinder könnten sich über unterschiedliche Rituale austauschen.
Speziell die Tätigkeiten, die das soziale Engagement der Kinder in den Fokus rücken, sollten nicht nur um die Weihnachtszeit herum angedacht oder durchgeführt werden. Die Heranwachsenden sollen lernen, dass Empathie und soziales Handeln nicht von bestimmten Tagen im Jahr abhängig sind, sondern bestenfalls eine grundsätzliche und andauernde Haltung repräsentieren sollten.
Für die Aktivitäten im Klassenraum ist es empfehlenswert, stimmungsvolle Musik im Hintergrund laufen zu lassen. So kann auch akustisch wahrnehmbar der Anfang und das Ende des Rituals abgesteckt werden.
Regelmäßigkeit:
Zur Weihnachtszeit, ab Ende November bis Ende Dezember.
9) Rituale zum Osterfest
Art des Rituals: Saisonale Rituale zum Osterfest
Ablauf:
Ähnlich wie bei den Weihnachtsritualen gibt es zahlreiche Riten, die Sie gemeinsam mit Ihrer Klasse zur Osterzeit zelebrieren können. Hier eine kleine Auswahl:
- Ostereier bemalen
- Grußkarten für Freunde und Verwandte basteln
- Ostereier (oder kleine Geschenktüten) auf dem Schulhof suchen
- Osterfeuer als Schulfest veranstalten
Besonderheiten:
→ Siehe Anmerkungen zu Weihnachtsritualen.
Regelmäßigkeit:
Jedes Jahr zur Osterzeit.
Was ist zu beachten?
Damit ein Ritual gerne angenommen wird und lange Bestand hat, ist es ratsam, jedes neue Ritual gemeinsam mit den Kindern zu entwickeln und zu individualisieren. Nach einer ersten Vorstellung und Durchführung Ihres vorgeschlagenen Rituals kann somit Raum für die Ideen und Wünsche der Heranwachsenden entstehen, der sie involviert und es ihnen erlaubt, den Entstehungsprozess aktiv mitzugestalten.
Wie bei der Einführung und Einhaltung von Regeln ist es bei Ritualen von besonderer Wichtigkeit, dass sich ausnahmslos alle – auch und vor allem die Lehrkraft – an die Vereinbarungen halten. Nur, wenn gleiche Rechte und Pflichten für alle innerhalb der Rituale gelten, kann das elementare Gemeinschaftsgefühl entstehen und dauerhaft bestehen bleiben.
Weiterhin ist die Regelmäßigkeit der Durchführung (Rhythmisierung) ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Bleibt ein bekanntes und erwartetes Ritual im Schulalltag aus, kann das für Unsicherheit und innere Unordnung sowie Unausgeglichenheit bei den Heranwachsenden sorgen, da ein wichtiger Orientierungspunkt fehlt.
Und nun viel Spaß beim Ritualisieren!
Quellen:
[1] Wulf, Christoph (2008): Rituale. In: Herbert Willems (Hrsg.): Lehr(er)buch Soziologie. Für die pädagogischen und soziologischen Studiengänge. Band 1, VS Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden, S. 331-349. [2] Duden: „Rituale“.Autorin: Carla
Für etwa drei Jahre schrieb ich Artikel für das phase6 Magazin und das Lehrkräfte Magazin. Mit besonderer Vorliebe widmete ich mich dabei spannenden Themen der pädagogischen Psychologie in Theorie und Praxis. Während meines Referendariats an einer Berliner Grundschule schrieb ich Erfahrungsberichte und gab einen Einblick in meinen Schul- und Ausbildungsalltag. Mittlerweile befinde ich mich in der turbulenten Berufseinstiegsphase und darf eine jahrgangsgemischte Lerngruppe an einer montessori-orientierten Grundschule in Berlin unterrichten.