Heutzutage erziehen viele Eltern ihre Kinder bilingual und suchen gezielt nach Angeboten zur Sprachförderung im Kindergarten, um ihren Sprösslingen einen möglichst chancenreichen Start ins Leben zu ermöglichen. 

Es ist offensichtlich und zudem begrüßenswert, dass es immer mehr Angebote gibt, die Sprachförderung Kindern und erwachsenen Lernenden gleichermaßen schmackhaft machen – ob zum Erlernen der Muttersprache oder einer Zweit- bzw. Fremdsprache. Besonders für Kinder unter 12 Jahren gibt es zahlreiche Ideen und Materialien, die ihre Sprachentwicklung fördern sollen. 

All diese lerngerechten Materialien zum Spracherwerb, die jenseits von Sachtexten die Aktivität der Spielenden herausfordern, werden zusammengefasst als Sprachspiele bezeichnet. 

Im Kontext des kindlichen Spracherwerbs scheint das Spiel als Lernform relativ naheliegend. Doch auch für Erwachsene stellen Sprachlernspiele eine sinnvolle und lernförderliche Maßnahme dar, um Fremdsprachen zu lernen. Warum ist das so? 

Wie lernen Menschen?

Wie eignen wir uns im Kindesalter bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten an, ohne dafür über Büchern der Fachliteratur zu brüten und geschriebenes Wissen auswendig zu lernen? 

Zu den Grundlagen der kindlichen Lernentwicklung gehört zum einen die sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit (auditiv, visuell, haptisch, olfaktorisch und gustatorisch) und zum anderen Möglichkeiten der kognitiven Verknüpfung dieser sensorischen Wahrnehmungen des Kindes. Lernen funktioniert in den ersten Lebensjahren also fast ausschließlich über die Aufnahme von Reizen aus der Umwelt über die Sinne. Und diese Sinne wollen bedient werden. 

fünf Sinne

Nicht anders ist es bei erwachsenen Menschen: Auch sie lernen am besten, wenn mehrere Sinne beim Lernen angesprochen werden. Diese multisensorische Beanspruchung der Synapsen kann besonders in Kombination mit sozialer Interaktion und Spaß zu einer erhöhten Lernmotivation und folglich zu gesteigerten Leistungen führen. Und was verbindet die drei Elemente Multisensorik, Interaktion und Spaß am besten? Genau: das Spiel!

Optimale Lernförderung durch Sprachspiele

Das Spielen mit Sprache ist etwas Schönes und, wenn man die Spielerei mit Sprachlauten im Säuglings- bis ins Kindesalter betrachtet, etwas sehr Natürliches. Der kreative Umgang mit Sprachbausteinen (also Lauten, Silben, Wörtern und Sätzen) regt die Fantasie an und fördert zudem die Sprachbewusstheit von Lernenden. Mit Sprachbewusstheit ist das implizite und intuitive Sprachwissen gemeint, das zum Beispiel zum Tragen kommt, wenn wir nicht genau wissen, wie ein Wort geschrieben wird und es “nach Gefühl” schreiben. Dieses implizite Wissen ermöglicht uns unter anderem den kognitiven Transfer grammatikalischer Regeln und erleichtert uns das Erlernen neuer Sprachen. 

Lernsprache Deutsch = Spiel, Spaß und Spannung?! Ja, tatsächlich! Denn besonders bei DaZ (Deutsch als Zweitsprache) und DaF (Deutsch als Fremdsprache) werden Sprachspiele gerne genutzt, um den Lernenden die deutsche Sprache zu vermitteln. So können auch Erwachsene spielerisch Deutsch lernen. Spezifische DeutschLernspiele gibt es dabei nicht, denn die allermeisten Konzepte von Sprachspielen lassen sich auf andere Sprachen übertragen. 

Wenn wir mit Sprache spielen, erweitern wir also auf kreative Weise unser eigenes Sprachwissen – ganz ohne Schulbücher und Vokabellisten. Manche gehen sogar so weit zu behaupten, dass die gesamte Sprachkultur ein einziges Spiel sei. Hauptvertreter dieser spannenden Sprachphilosophie ist Ludwig Wittgenstein.

Wittgensteins “Sprachspieltheorie”

Bei der Recherche zu Sprachspielen stößt man immer wieder auf einen Namen: Wittgenstein. Seine “Sprachspieltheorie” hat zwar recht wenig mit den spielerischen Sprachlernmethoden zu tun, mit welchen sich dieser Artikel befasst, birgt aber ein interessantes Verständnis von Sprache. 

Denn Wittgenstein begreift Sprache und den aktiven Sprechakt selbst als Spiel. Das Kommunikationsmedium müsse als Spiel begriffen werden, bei dem die Spielfiguren – also wir Menschen – festgelegten und anerkannten Regeln folgen, um an ein individuelles Ziel zu kommen. 

Die verschiedenen Sprachregister, die wir nutzen, können in dieser Theorie als sprachliche Spielvarianten verstanden werden. Dazu gehören beispielsweise die Alltagssprache, die Sprache der Religion, die Sprache der Wissenschaft oder die der Literatur. Jedes Fachgebiet und jede Zielgruppe verwendet sozusagen einen eigenen Wortschatz und charakteristische sprachliche Kompositionen. So ist es laut Wittgenstein beispielsweise möglich, innerhalb der Sprache der Religion über Gott zu sprechen, aber nicht innerhalb der Naturwissenschaft. 

Das Wesen der Sprache existiert laut Wittgenstein nur durch das menschliche Handeln. Diese soziale Interaktion, die das aktive Sprechen zum Kern hat, kann als eigenständige Tätigkeit und somit als Spiel begriffen werden. Jede Reaktion und jede Interaktion ist ein sprachliches Spiel, auch wenn es nonverbal stattfindet. Wittgenstein selbst schrieb dazu:

“Der Ursprung und die primitive Form des Sprachspiels ist eine Reaktion; erst auf dieser können die komplizierteren Formen wachsen. Die Sprache – will ich sagen – ist eine Verfeinerung, ,im Anfang war die Tat‘”[1]

Wie Sprachförderspiele den Schriftspracherwerb unterstützen

Dass Sprachspiele den Lernprozess beim Fremdsprachenlernen voranbringen können, ist mittlerweile unumstritten. Sprachförderung muss dabei nicht immer eine hochkomplexe Angelegenheit sein, sondern kann schon mit wenigen Mitteln realisiert werden. So betont die Psychologin Anja Leist die Interaktion zwischen Sprechenden und Zuhörenden und beschreibt:

“Die unterstützende Funktion gemeinsamer Handlungsrituale für den Spracherwerb lässt sich durch viele Beobachtungen belegen und ist daher weitgehend anerkannt. Sie kann in der Sprachförderung im Elementarbereich z.B. in Spielen oder gleichbleibenden Begrüßungs- und Verabschiedungsritualen umgesetzt werden.”[2]

Die Voraussetzung für einen gelingenden Lernprozess ist jedoch – wie bei allen neuen Lerninhalten – der Lebensweltbezug zu den Inhalten. Erst dadurch können Zusammenhänge hergestellt und neues Wissen richtig eingeordnet werden. Leist konkretisiert:

“Voraussetzung für einen längerfristigen Lernerfolg ist, dass das Kind einen inneren Bezug zu den Inhalten [der] Übungen herstellen kann und nicht isoliert Sprachelemente trainiert.”[2]

Der Sprecherzieher Roland Wagner fügt hinzu, dass durch Sprachlernspiele ebenfalls die Wahrnehmung nonverbaler Aspekte von Sprache gefördert werden kann und erläutert: 

“Es gehört zu den kommunikativen Binsenweisheiten, dass bei jedem Sprechen zahlreiche nonverbale Elemente beteiligt sind, z.B. Körperhaltung und -spannung, Gestik, Mimik, Blickverhalten, Atmung, Stimme, Aussprache, Betonung. Viele Kinder und Jugendliche weisen in einzelnen oder mehreren dieser Bereiche situative oder generelle Defizite auf, denen häufig mit verblüffend einfachen Maßnahmen begegnet werden kann.”[3]

Mimik_ nonverbale Kommunikation

Sprachspiele für alle Zwecke und Altersstufen

Nicht jedes Sprachspiel ist für jede Gruppe oder Situation geeignet. Deswegen hat phase6 eine Sammlung von ausgewählten Sprachspielen erstellt und jedes einzelne Spiel auf seine Eignung für unterschiedliche Bedürfnisse und Zielgruppen analysiert. 

Sprachlernspiele für Kinder wurden in Spiele für Kindergartenkinder und für Kinder im Grundschulalter differenziert. Jugendliche Spielerinnen und Spieler sind in den Sprachspielen für Erwachsene inbegriffen. 

Die Filterfunktionen erlauben es, die gesammelten Sprachspiele nach bestimmten Zielgruppen, Sozialformen oder Lernzielen zu sortieren. 

Was noch zu bedenken ist…

Wie bei jedem Lernprozess wirken auch bei Sprachspielen viele unterschiedliche Faktoren zusammen, die über den Lernerfolg entscheiden. Einige davon können bewusst beeinflust werden, zum Beispiel durch das Schaffen einer angenehmen Atmosphäre, in der sich alle Mitspielenden wohlfühlen – damit ist schon viel gewonnen.

Werden die Sprachspiele in größeren Gruppen oder Schulklassen gespielt, sollte die Spielleitung besonders auf Spielende mit eventuellen Sprachstörungen oder emotional-sozialen Auffälligkeiten achten, sodass niemand benachteiligt oder bloßgestellt wird. 

Und die wichtigste Botschaft zuletzt: Sprachspiele sind kein Ersatz für Kommunikation! Trotz all der positiven Effekte von Sprachspielen auf die Kompetenzentwicklung sind Sprachlernspiele kein Wundermittel, sondern sind als Ergänzung zum Sprachlernprozess zu verstehen. Die wichtigste Aktivität, um eine Sprache effektiv zu lernen, ist und bleibt das Sprechen selbst. 

Und nun viel Spaß beim Spielen! 🙂

Quellen

[1] Reichel, Juliane (2010): Sprache – Sprachspiel – Spiel. Phänomen als Methode bei Heidegger, Wittgenstein und Gadamer. BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

[2] Leist, Anja (2006): Sprachförderung im Elementarbereich. In: Bredel, Ursula et al.: Didaktik der Deutschen Sprache. Ein Handbuch. 2. Teilband, 2., durchgesehene Auflage, Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn, S. 673 – 683.

[3] Wagner, Roland W. (2006): Methoden des Unterrichts in mündlicher Kommunikation. In: Bredel, Ursula et al.: Didaktik der Deutschen Sprache. Ein Handbuch. 2. Teilband, 2., durchgesehene Auflage, Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn, S. 747 – 759.